Società | Kinderwunsch

Engls Klinik

Was macht Bruno Engl nach seinem Abschied vom Sanitätsbetrieb? Neue Chancen für einen ehemaligen Primar und für Paare mit Kinderwunsch im Bozner City Tower.

Bruno Engl sieht die Sache pragmatisch. „Es gibt Leute, die sagen, man soll alle drei Jahre den Job wechseln“, meint der bisherige Primar der Gynäkologie in Bruneck. „Ich mache es eben nach 33 Jahren in der öffentlichen Sanität.“  Erst Anfang Oktober hatte der Südtiroler Papst der Reproduktionsmedizin mit seiner Kündigung für Schlagzeilen gesorgt. Nun steht fest, wo der 60-jährige Gynäkologe nach seinem Abschied vom Südtiroler Sanitätsbetrieb zu finden sein wird. Donna Salus soll das neue private Zentrum für Frauengesundheit heißen, dass Bruno Engl im Frühjahr gemeinsam mit seinem Bozner Kollegen Dieter Peer eröffnen wird. Ein Stockwerk im City Tower am Bozner Boden wird derzeit für die Struktur adaptiert, die auch über Operationssäle und Betten verfügen wird - wenn auch vorerst nur für den Betrieb als Tagesklinik. Denn Donna Salus soll nicht nur eine gynäkologische Anlaufstelle für junge Mädchen bis reife Damen sein, in der auch kleine Eingriffe vorgenommen werden können. Ihr ärztlicher Leiter Bruno Engl wird dort vor allem das Know-how anbieten, das er seit Beginn der neunziger Jahre im heutigen Brunecker Kompetenzzentrum für Reproduktionsmedizin aufgebaut hat. „Der Schwerpunkt wird sicherlich das Thema Sterilität sein“,  bestätigt Dieter Peer. Auch den privat praktizierenden Bozner Frauenarzt hat das Thema Kinderwunsch während der vergangenen Jahrzehnte in verschiedensten Formen begleitet - sei es im Bereich der künstlichen Befruchtung, sei es als langjähriger Präsident des Südtiroler Vereins für Adoptiv- und Pflegeeltern. 

Der Hintergrund für das finanzielle wie unternehmerische Abenteuer der beiden Ärzte mag teils privater Natur sein. „Wenn man ein bestimmtes Alter erreicht hat, wird irgendwann klar: jetzt oder nie“, sagt Bruno Engl . Ausschlaggebend dürften aber wohl die aktuellen Entwicklungen in der Sanität und vor allem im Bereich der Reproduktionsmedizin gewesen sein. Schließlich ist seit vergangenem Sommer im bisher äußerst konservativen Italien auch die heterologe künstliche Befruchtung mit Ei- oder Samenspenden von Dritten möglich. Mussten Paare dafür bislang in liberalere Länder wie Spanien, Tschechien, die Ukraine oder England ausweichen, kann dies nun auch in Südtirol geschehen. Allerdings muss dafür bis zum Aufbau entsprechender Eizellen- und Samenbanken noch auf Rohmaterial aus dem Ausland zurückgegriffen werden. Neben Engl und Peer wird deshalb auch ein tschechischer Gynäkologe im neuen Zentrum tätig sein, der nicht nur medizinisches Know-how in dem Bereich, sondern auch direkte Verbindungen zu Spenderbanken einbringt. 

Warum nach Tschechien fahren?

Rund 1000 bis 1300 Behandlungszyklen wurden in den vergangenen Jahren im Brunecker Kompetenzzentrum für Reproduktionsmedizin durchgeführt. Wie viele Paare sich ihren Kinderwunsch außerhalb des Landes erfüllten oder zumindest zu erfüllen versuchten, ist dagegen nicht bekannt. „Die Dunkelziffern sind aber sicherlich hoch“, sagt Dieter Peter. Wesentlicher Antrieb für die Gründung des neuen Zentrums ist laut den beiden Gynäkologen deshalb der Wunsch gewesen, möglichst vielen dieser Paare die aufreibenden Fahrten ins Ausland zu ersparen. Denn obwohl die heterologe künstliche Befruchtung mittlerweile auch in Bruneck angeboten wird, könne das öffentliche Gesundheitssystem die Nachfrage bei weitem nicht abdecken. Allein die Wartezeiten für ein Erstgespräch in Bruneck sind laut Peer so lang, dass derzeit nur noch Termine für den Herbst zu bekommen sind. Doch auch was Anpassungen an die aktuellen Entwicklungen betrifft, könne man in einer privaten Struktur weit schneller reagieren, ist Bruno Engl überzeugt. Dazu kommt, dass vor allem ältere Paare im öffentlichen Gesundheitswesen angesichts begrenzter Ressourcen und gesetzlicher Ausschlusskriterien oft nicht mehr zum Zug kommen.  

Es gehe also keineswegs darum, dem öffentlichen Gesundheitswesen Konkurrenz zu machen, sondern ein ergänzendes Angebot zu bieten, unterstreicht Engl. „In Südtirol waren private Strukturen im Gegensatz zu unseren Nachbarländern lange nicht gewollt“, lautet Peers Antwort zum Thema Zwei-Klassen-Medizin. „Solange das Geld vorhanden war, wollte man alles selbst abdecken.“ Nun, da die Limits in der öffentlichen Sanität immer deutlicher zu Tage treten, ist zumindest aus der Sicht des Gynäkologen der Trend zu privaten Kliniken und Strukturen durchaus positiv zu sehen.

Meraner Konkurrenz

Eine Einschätzung, die wesentlich davon abhängt, ob die öffentliche Hand zumindest einen Teil der Kosten für die Behandlung in den privaten Strukturen übernimmt. Ob dies künftig für Kinderwunsch-Behandlungen am Bozner Boden der Fall sein wird, ist derzeit noch Gegenstand von Verhandlungen zwischen dem Gesundheitsressort und Bruno Engl. Harter Gegenwind soll dabei aus Meran kommen, wo die Donna-Salus-Gründer mit dem Vorarlberger Professor Herbert Zech einen äußerst mächtigen Konkurrenten sitzen haben: Mehr als 140 MitarbeiterInnen beschäftigt dessen Kinderwunsch-Imperium mittlerweile; neben IVF-Zentren in Österreich, der Schweiz, Liechtenstein, Tschechien und Nigeria gehört dazu auch das 2001 gegründete Eubios-Zentrum in Meran. Dort scheint man das private Engagement in Bozen offenbar nicht sonderlich zu schätzen; vor allem, sofern die Bozner im Gegensatz zu Eubios eine Konvention erhalten sollten oder bestimmte Leistungen für die öffentliche Hand übernehmen sollten.

Immerhin belaufen sich die Kosten einer künstlichen Befruchtung auf viele Tausend Euro. 3000 bis 5000 Euro wird in Deutschland als Richtwert für einen Zyklus einer In-Vitro-Befruchtung genannt; ähnliche Werte finden sich im Netz für heterologe Inseminationen, die bei mehreren Versuchen inklusive Medikamenten auch schnell über 5000 Euro hinausschießen können. Bruno Engl will sich bei Preisen nicht festlegen, solange die Verhandlungen mit dem Land noch laufen. In den kommenden Wochen muss darüber aber Klarheit geschaffen werden. Denn ab Ende Jänner wollen die beiden Ärzte bereits erste Vorgespräche anbieten; im Laufe des März oder Anfang April sollte die neue Struktur dann operativ werden. „Sollten wir zu keiner Vereinbarung kommen, müssten Paare aber alle Leistungen selbst zahlen“, so Engl. 

Wie auch der florierende Kinderwunsch-Tourismus zeigt, hält dies viele Paare dennoch nicht davon ab, ihr Glück auf eigene Kosten zu versuchen. Besonders förderlich für den Markt ist die Tatsache, dass Frauen heute immer später Mütter werden bzw. es zu werden versuchen. Denn oft klappt das Kinderglück zum richtigen Zeitpunkt vieler heutiger Frauenleben nicht mehr auf natürlichem Weg. Das viel diskutierte Social Freezing, also das Einfrieren der eigenen Eizellen in jungen Jahren, wird im neuen Bozner Zentrum laut Peer zwar vorerst nicht Teil des Leistungsspektrums sein. In Zukunft werde man es aber sicherlich anbieten. Denn wohin der Trend geht, ist längst vorgegeben. Nun weiß ihn ein weiterer abgesprungener Primar des Sanitätsbetriebs als seine zweite Chance zu nutzen.