Letta, Enrico
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Politica | Letta neuer PD-Chef

Die Auferstehung

Enrico Letta ist an die Spitze des Partito Democratico zurückgekehrt.

Italiens Politik beschränkt sich meistens auf ein monotones Tauziehen zwischen gegnerischen Parteien. Manchmal ist sie auch für Überraschungen gut. Diesmal sogar für eine doppelte: zur Bereitschaft Mario Draghis, ein kaum begehrtes Amt wie das des Regierungschefs in einem tief verschuldeten und zerstrittenen Land anzunehmen, kommt nun ein neuer Paukenschlag. Der 2014 von Matteo Renzi aus dem Chigi-Palast verjagte Ex-Premier Enrico Letta kehrt aus Paris nach Rom zurück und übernimmt die Führung des zerstrittenen Partito Democratico, dessen bisheriger Vorsitzender Nicola Zingaretti vor wenigen Tagen entnervt aufgegeben hatte. Verwundern konnte das kaum angesichts des desolaten Zustands einer Partei, deren Flügelkämpfe absurde Ausmasse erreicht hatten. Zingarettis verbitterte Bilanz:  "Mi vergogno di questo partito, nel quale si parla solo di poltrone e di primarie."

Es ist ein Comeback, mit dem in den Wirrnissen der italienischen Politik niemand gerechnet hat. Schon gar nicht im Partito Democratico, der in 14 Jahren sieben Parteichefs verheizt hat, von denen nur zwei im PD geblieben sind – Zingaretti und Franceschini. Weitere drei – Bersani, Renzi und Epifani – haben Partei gewechselt. Zwei weitere ihren Beruf (Veltroni und Martina.) Die Tageszeitung La Stampa wertet diese Bilanz als "discreta bancarotta politica". Noch vor einer Woche  - gestand Letta - habe er es sich nicht vorstellen können, für den Vorsitz einer Partei zu kandidieren, die er mitbegründet habe und die sich heute in einer tiefen Krise befinde. Was er  anstrebe, sei keine unanimità finta,  sondern eine offene Diskussion über die politische Zukunft der Partei: "Due settimane di dibattito nei circoli."

Es ist ein Comeback, mit dem in den Wirrnissen der italienischen Politik niemand gerechnet hat. Schon gar nicht im Partito Democratico, der in 14 Jahren sieben Parteichefs verheizt hat.

Der zweite wesentliche Punkt: "Il PD non deve mai essere subalterno al M5S." Was Letta am meisten befürchtet, sind mögliche Intrigen jener PD-Strömung, die Renzi nahesteht. So nimmt er den Fraktionschef im Senat, Andrea Marcucci ebenso ins Gebet wie Verteidigungsminister Lorenzo Guerini: "Dev'essere un partito di militanti, non di correnti." Die Quintessenz seiner Rede: "Serve un nuovo PD, non un nuovo segretario."

Ausgiebig ging Letta auch auf die Pandemie mit ihren 100.000 Toten ein: "La caduta della pandemia avrà lo stesso effetto, nello sprigionare energia, che aveva la caduta del muro di Berlino su noi giovani. L'entusiasmo che nascerà è l'entusiasmo della vita che vince."

Ein eigenes Kapitel widmete er der ständig steigenden Zahl von Überläufern im Parlament: "164 cambi di casacca sono una cifra intollerabile." Letta schloss mit einem positiven Ausblick: "Se faremo le cose che ho detto penso che vinceremo: non ho lasciato i miei impegni per guidarvi verso una sconfitta."

Fazit:  Lettas ohne Manuskript gehaltete Rede war ein rhetorisches Meisterwerk  nüchterner Analyse, ohne Propaganda und ohne Beschönigung der dramatischen Lage der Partei. Die Synthese fasste er in ein Zitat von Luigi Pirandello: "Vorrei tra noi ci fossero volti, non maschere". Auch für den von ihm angekündigten Kampf gegen die parteiinternen correnti  genügte ihm ein entwaffnender Satz: "Io non ho ancora capito la geografia delle correnti interne." 

 

 

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Franz Berger Lun, 03/15/2021 - 12:30

Ich bin kein treuer Saltianer und lese diese Online-Zeitung nur gelegentlich. Zum Glück habe ich aber ein Gespür dafür, wann Gerhard Mumelter wieder einen Beitrag veröffentlicht hat. Und bin für seine Analysen jedesmal dankbar. Chapeau, Gerhard!

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