Politica | Sonderlandtag

Nachtgeflüster zum Recovery Fund

Das Südtiroler Teilprojekt zum Recovery Fund drängt sich zwischen Opposition und Mehrheit. Anweisungen aus Rom sollen Klarheit schaffen. Erneuter Sonderlandtag möglich.
Recovery Fund
Foto: (c) Tabrez Syed, Unsplash

Der Antrag der Opposition, das Südtiroler Projekt zum Recovery Fund in Beteiligung des Landtags neu aufzuschnüren und völlige Transparenz in der Kommunikation der Landesregierung mit Rom und Brüssel walten zu lassen, wurde in einer Sondersitzung des Landtags schnell und ohne Umschweife abgelehnt. Inhalt der Diskussion sowie die späte Stunde – die Sitzung wurde im Anschluss an die ordentliche Landtagssitzung am Freitagabend um 22:30 begonnen – stoßen auf Kritik: Die Opposition behält sich vor, eine erneute Sondersitzung einzuberufen.

 

Der Ball liegt bei Rom

 

Wie Paul Köllensperger (Team K) am Montagmorgen verkündet, sei die Opposition bereit, die Südtiroler Beteiligung am Recovery Fund in einer weiteren Sondersitzung zu diskutieren. Vorher stehe jedoch die Entscheidung der italienischen Regierung an: “Sollte Draghis Regierung eine Aufarbeitung der im Herbst – ohne das Wissen des Landtags – eingereichten Regionalprojekte genehmigen, werden wir sofort einen weiteren Sonderlandtag einberufen”, so Köllensperger. Sonst habe eine weitere Sondersitzung wenig Sinn: “Das Desinteresse der Landesregierung, das Südtiroler Recovery Projekt neu aufzuschnüren, wurde bereits am Freitag deutlich kommuniziert”.

Bis dato gibt es noch keine Indikationen, inwiefern die bereits eingereichten Regionalprojekte berücksichtigt werden und wie viele der 200 Milliarden Euro des Recovery Funds der Provinz zur Verfügung stehen. Sicher ist, dass die 47 Projekte im Wert 2,4 Milliarden Euro, die die Südtiroler Landesregierung im Herbst eingereicht hat, nicht zur Gänze finanziert werden. “Die Südtiroler Beteiligung wird sich – optimistische geschätzt – auf allerhöchstens 400 Millionen Euro begrenzen”, so Landeshauptmann Arno Kompatscher. Welche der eingereichten Projekte finanziert werden, ist also noch offen und wird nicht zuletzt durch die Kriterien des italienischen PNRR (Piano nazionale di ricerca e resilienza) und der Europäischen Union bestimmt. Ob das Südtiroler Teilprojekt noch abgeändert werden kann, soll sich in den nächsten Wochen klären.

 

Kompatscher: "Handlungsbedarf und zukunftsweisende Projekte"

 

Auf die unsichere nationale Situation und den gleichzeitigen Imperativ, schnell handeln zu müssen, hinweisend, verbietet sich Kompatscher jegliche Kritik am Südtiroler Teilprojekt. Wie Kompatscher betont, riskiere Italien durch die Verzögerungen und dem Fehlen von kurzfristig umsetzbaren Projekten, eine Vorgabe der EU, die Gelder des Recovery Funds 'zurückgeben' zu müssen. Das Südtiroler Teilprojekt versuche dieser Gefahr durch eine umfassende Auswahl an realistisch umsetzbaren Projekten entgegenzuwirken. Dabei seien sowohl traditionellere als auch zukunftsweisende Projekte berücksichtigt worden. Als zukunftsweisende Projekte nennt Kompatscher unter anderem den Ausbau des Breitbandnetzes, ein Projekt zur Tropfbewässerung und Projekte zur Kreislaufwirtschaft, die im Plan enthalten sind. Das Bild einer rückwärts gewandten Landesregierung, das die Opposition zu malen suche, sei schlichtweg falsch, greift Kompatscher die Oppositionspolitiker an.

 

"Negatives Gesamturteil"

 

Dem Einwand, dass das Teilprojekt auch zukunftsfähige Projekte enthalte, wird vonseiten der Opposition stattgegeben. Die Stellungnahme des Landeshauptmanns kann die Kritik der Opposition aber nur teilweise entschärfen. “Das Gesamturteil fällt negativ aus”, so der Erstunterzeichner des Antrags, Paul Köllensperger. “Die meisten der eingereichten Projekte werden weder nachhaltig Arbeitsplätze schaffen, noch werden sie sich positiv auf Gesundheit, Klima, Gleichstellung der Geschlechter und andere soziale Fragen der nächsten 30 Jahre auswirken.” Zudem fehle die von der EU verlangte Einschätzung bezüglich der Auswirkung der Projekte im Jahr 2050 völlig. 

Auch von Grüner Seite ist die Kritik am Südtiroler Teilprojekt hart. Wie der grüne Abgeordnete Hanspeter Staffler erklärt, sei bei 40 Prozent der eingereichten “grünen Projekte” keine Auswirkung auf die CO2-Produktion zu erwarten. Zudem sei die von der EU verlangte Einbindung der Zivilgesellschaft völlig unbeachtet geblieben: Verbände für Umwelt und Klimaschutz hätten in kürzester Zeit Projekte zusammentragen können; wie die meisten, wussten aber auch sie nichts vom Südtiroler Recoveryprojekt.

 

Umfassend und realisierbar?

 

Der Aussage der Landesregierung, sich für einen umfassenden Projektkatalog entschieden zu haben, wird das Fehlen einiger zentraler Themenbereiche entgegengestellt: Kultur, Frauenthemen, Bildung, wichtige Investitionen im Pflege- und Gesundheitsbereich sowie die Reformierung des Arbeitsmarktes zum Beispiel. Auch die Realisierbarkeit der Projekte, das erklärte Hauptanliegen der Landesregierung, sei nur bei einigen Projekten konkret gegeben. “Während einige Projekte klar definiert sind, sind andere wiederum sehr wage”, so der Abgeordnete der Freiheitlichen Andreas Leiter Reber.

Der Sonderlandtag am Freitagabend lässt also eine Reihe von Fragen unbeantwortet. Diese betreffen nicht nur die italienische Regierung, sondern auch das Vorgehen der Landesregierung selbst: Auf welcher Grundlage werden die Projekte für den Recovery Fund ausgewählt? Warum fanden neben den zukunftsweisenden Projekten auch jene Projekte Platz, die wie Köllensperger betont “laut EU Richtlinien explizit nicht zu fördern wären”? Und wer wurde in die Auswahl einbezogen? Die nächsten Tage und Wochen werden das weitere Vorgehen von Opposition und Landesregierung im Punkt Recovery Fund zeigen. 

 

Babys auf dem Bildschirm

 

Der Sonderlandtag, der um 22:30 Uhr begann, stieß aber nicht nur aufgrund der inhaltlichen Debatte auf das Unverständnis der Opposition. Nachdem die Mehrheit den Vorschlag der Opposition, den Sondergipfel auf Montag, den 22. März zu verschieben abgelehnt hatte, meldete sich die Abgeordnete der Grünen, Brigitte Foppa zu Wort. Ihre erneute persönliche Bitte: die Debatte zu verschieben. Mit dem Verweis darauf, dass in den online eingeblendeten Wohn- und Schlafzimmern der Abgeordneten Babys zu sehen seien, kritisiert sie das Vorhaben, um 22:30 einen Sonderlandtag zu beginnen. Der Landtagspräsident ging auf diese Bitte nicht weiter ein.