Economia | Unternehmensporträt

Hypercharger made in Südtirol

alpitronic ist Vorreiter für elektrische Ladeinfrastruktur. Wie es dazu kam, welche Neuerungen anstehen und mit welchen Problemen man kämpft.
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Foto: alpitronic/facebook

Im Bereich der E-Mobilität zählt alpitronic zu Südtiroler Vorzeigeunternehmen, in der breiten Öffentlichkeit ist der Tech-Betrieb jedoch weitgehend unbekannt. Dabei ist das 2009 gegründete Unternehmen international tätig und einer der Maßstäbe in Sachen Ladeinfrastruktur für elektrisch betriebene Fahrzeuge. In Deutschland stellt man zurzeit sogar den multinationalen Riesen Tesla in den Schatten, was den Ausbau superschneller Ladesäulen anbelangt.

Im Unternehmen hat man seit Anfang an auf das richtige Pferd E-Mobilität gesetzt, allerdings wurden die Ladesäulen erst später zum Kerngeschäft, erklärt Sigrid Zanon. Die Mitgründerin des Unternehmens und gelernte Elektrotechnikerin ist zuständig für die Entwicklung von Prüfständen für Leistungselektronikmodule, gewissermaßen das „Dinosaurierprodukt“ des Unternehmens. Diese sind Kernkomponenten für die Elektromobilität und sorgen für die Leistungswandlung von der Batterie zum elektrischen Antrieb.

In der Anfangsphase des Unternehmens war es BMW in der Vorentwicklung des E-Autos, das die unterschiedlichen Anbieter von Halbleitern auf deren Qualität hin prüfen wollte“, sagt Zanon. Der deutsche Autohersteller wollte sich allerdings nicht auf deren Datenblätter verlassen und griff somit auf das Knowhow von alpitronic zurück. Obwohl es mittlerweile eine Nische ist, arbeitet man weiter an der Entwicklung der Prüfstände und bietet die Prüfungen mittlerweile auch als Dienstleistung an.

 

Fokus auf Ladesäulen

 

Das Kerngeschäft hat sich mittlerweile aber hin zur Entwicklung von eigener Ladeinfrastruktur verlagert. „Wir haben relativ früh mit der Entwicklung begonnen und waren dann zur richtigen Zeit am richtigen Ort, als auch die Infrastruktur langsam Verbreitung fand“, sagt Zanon. Während viele Mitbewerber Qualitätsprobleme hatten, sei alpitronic zuverlässiger gewesen.

 

 

Wichtige Qualitätsfaktoren einer Schnellladesäule wie dem Flaggschiff hypercharger, seien zum einen der Wirkungsgrad, also wie effizient die Energiewandlung geschieht. Weiters sei auch die Kompaktheit und das Design der Säulen von Bedeutung. Zum anderen spiele aber natürlich auch der Preis eine Rolle, wie Zanon unterstreicht: „Es nützt das beste Produkt nichts, wenn es nicht erschwinglich ist.

Auch wenn derzeit bereits ein Vollladen eines PKWs in nur etwa 30 Minuten möglich ist, brechen die Innovationen in der Branche nicht ab. Erprobt werden beispielsweise kabellose Ladetechniken, die mittels einer Spule in der Fahrbahn das induktive Aufladen einer Fahrzeugbatterie ermöglichen sollen. Der Halbleiterproduzent Qualcomm hatte vor wenigen Jahre in Frankreich eine entsprechende Teststrecke in Betrieb genommen. Breitenfähiges induktives Laden hält Sigrid Zanon aber für schwer umsetzbar, da es schlicht zu aufwendig sei.

 

Es nützt das beste Produkt nichts, wenn es nicht erschwinglich ist.

 

Konkret stehen Neuerungen ins Haus, welche die Ladesysteme effizienter machen sollen. Durch den Einsatz von neuartigen Siliziumcarbidhalbleitern kann ein noch größerer Wirkungsgrad erreicht werden. Zudem ist ein neuer Typ von Ladesäule kurz vor dem Markteintritt: Der HYC50 kann an der Wand montiert werden und soll unter anderem in Parkhäusern und Einkaufszentren zum Einsatz kommen. Auch die Entwicklung von Ladesäulen für LKWs und Busse, also für Fahrzeuge mit größeren Batterien, die über Nacht mit viel Leistung geladen werden können, wird in Zukunft auf dem Programm stehen, meint Zanon.

 

Fehlende Arbeitskraft …

 

Viel zu tun also für das Südtiroler Unternehmen, das seine Zeit als Startup längst hinter sich gelassen und in den letzten Jahren ein rasantes Wachstum hingelegt hat. Wie CEO Phillip Senoner gegenüber der Südtiroler Wirtschaftszeitung bestätigte, stellte das Unternehmen allein letztes Jahr 100 MitarbeiterInnen ein. 2022 sollen weitere 100 folgen.

 

Da aber auch für alpitronic der viel beschworene Fachkräftemangel kein Fremdwort ist, steht man vor großen Herausforderungen. Derzeit sind mehr als 30 Stellen ausgeschrieben, man sucht händeringend nach Personal – vom Produktionsmitarbeiter bis zum Manager – wie Sigrid Zanon beteuert: „Wir tun uns schwer, diese zu besetzen. Auch wissend, dass es sehr wichtig ist für die Firmenkultur, eine gewisse Selektivität beizubehalten, trotz Fachkräftemangels. Gerade durch das starke Wachstum merken wir den Fachkräftemangel immer mehr.“

 

Gerade durch das starke Wachstum merken wir den Fachkräftemangel immer mehr.

 

Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, ist es laut Zanon notwendig, schon im Kindes- und Jugendalter das Interesse und die Neugierde für Technik zu wecken, indem beispielsweise bereits an Grund- und Mittelschulen technische Projekte angeboten werden. Eine wichtige Initiative in dieser Hinsicht stellt das Mini-NOI dar, wo technische Angebote kindgerechte Aufbereitung finden. Relevant sei dies auch in Anbetracht der notorischen Unterrepräsentanz von Frauen in technischen Berufen.

 

… und stockende Lieferketten

 

Probleme machen alpitronic auch die mit Beginn der Pandemie verschärften globalen Lieferengpässe und die Rohstoffknappheit, wie Zanon gesteht: „Eine Ladesäule besteht aus einer Vielzahl an Leiterplatten und jede dieser Leiterplatten wiederum aus geschätzt tausenden Unterkomponenten. Wir sind den Bauteilen letztes Jahr ziemlich hinterhergerannt, um Produktionsstopps zu verhindern.“ Vereinzelt sah man sich sogar gezwungen, einwandfreie Komponenten umzudesignen oder auf teurere Broker zurückzugreifen, da bestimmte Bauteile nicht verfügbar waren.

Dass die Produktion wichtiger Bestandteile, wie Halbleiter, angesichts der nach wie vor angespannten Lage, langfristig vermehrt nach Europa verlagert wird, kann sich Zanon vorstellen. Es sei sicher von Vorteil, wenn Europa da Knowhow aufbaue, kurzfristig werde sich aber nicht viel ändern. „Es gilt, einen Kompromiss zu finden zwischen der absoluten Spezialisierung, die vielleicht am wirtschaftlichsten ist, und einer gewissen Streuung, um sich etwas breiter aufzustellen", erklärt Zanon. 

 

Wir sind den Bauteilen letztes Jahr ziemlich hinterhergerannt, um Produktionsstopps zu verhindern.

 

Herausfordernd ist für das Unternehmen auch die Nachverfolgbarkeit von Lieferketten und Zulieferern. Es gibt zwar einen sogenannten Supplier Code of Conduct, also einen Verhaltenscodex für Lieferanten. In den letzten Jahren galt es aber in erster Linie, die Produktion am Laufen und mit dem Wachstum Gleichschritt zu halten, so Zanon: „Das Thema Lieferantenauswahl und -qualifizierung versuchen wir zu installieren und zu leben. Wir werden das noch weiter ausbauen, sind aber, denke ich, auf einem guten Weg.“

Konkret strebe man für das Unternehmen bereits die internationale Umweltmanagementnorm ISO 14001 an. Zudem plant alpitronic, das Thema Nachhaltigkeit bei der Errichtung des möglichen neuen Firmengebäudes in Terlan mitzuberücksichtigen, wie Zanon bekräftigt. Der Ball hierfür liegt derzeit noch bei der Gemeinde, die wohl Ende April über eine mögliche Ansiedlung des Konzerns entscheiden dürfte.