Economia | Großprojekte

Innsbruck, Bozen, Pisa

Die finanzielle Schieflage der Condotte SPA hat Auswirkungen auf den Bau des BBT. Auch in Pisa herrscht Aufregung. Nur in Bozen tut man so, als sei nichts passiert.
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Foto: BBT SE
Es ist genau 45 Tage her. Da brachte salto.bz eine Nachricht, die nicht nur in der Südtiroler Unternehmerwelt für Aufsehen sorgte. Am 5. Jänner 2018 hat die „Società Italiana per Condotte d’Acqua SPA“ beim Landesgericht in Rom einen Antrag auf gerichtlichen Ausgleich unter Fortführung der Tätigkeit (Prodedura di concordato in continuità aziendale) gestellt. Es ist nach dem geltenden Konkursrecht eine Art Konkordat, das erlaubt die Schulden umzuschichten, um den ordentlichen Fortbestand eines Unternehmens zu sichern.
Das 1880 gegründete Traditionsunternehmen, das inzwischen auf der ganzen Welt Großbaustellen betreibt, ist in eine gefährliche finanzielle Schieflage geraten. Aktuell hat Condotte 461 Millionen Euro an Bankschulden und 767 Millionen Euro an Gesamtausständen angehäuft. Vor allem die öffentliche Hand ist bei der Zahlung von Großprojekten in Verzug. Die Situation ist weit ernster als nur ein Liquiditätsengpass.
Mit dem Beratungsunternehmen Rothschild hat das Unternehmen deshalb am Landesgericht Rom einen Sanierungsplan vorgelegt. Der Kern des Rettungsschirms: Die Gründung einer neuen Inhouse-Gesellschaft, die die gesamtem Aktivitäten der Gruppe übernimmt und die Schaffung einer Art Bad Company, in der die Forderungen, die Streitfälle und die Schulden der Unternehmensgruppe zusammengelegt werden. Das Gericht muss diesem Ausgleich aber zustimmen.
Dass der römische Antrag in Südtirol wie ein Bombe einschlug, liegt daran, dass die „Condotte SPA“ in Bozen gleich zwei öffentliche Großprojekte in der Hand hat, auf deren Umsetzung man seit Jahren wartet. Das neue Bozner Gefängnis und das Bozner Bibliothekenzentrum.
 

Ruhe vor dem Sturm?

 
Offiziell bleibt in Südtirol noch alles ruhig.
Die Condotte SPA hat zusammen mit der Konzerntochter Inso Spa im Juli 2013 die Ausschreibung für den Bau und die Führung des neuen Gefängnisses in Bozen Süd gewonnen.Es handelt sich um ein PPP-Modell mit einem Gesamtvolumen von rund 54 Millionen Euro. Die Baukosten betragen knapp 32 Millionen Euro. Zwei Jahre und drei Monate soll die Bauzeit betragen. 67 Prozent der Gesamtkosten (36,18 Millionen Euro) übernehmen die beiden privaten Unternehmen, 33 Prozent (17,82 Millionen Euro) das Land Südtirol. Im Gegenzug bekommt die Condotte für 18 Jahre eine Konzession zur Führung des Gefängnisses. Darin ist nicht die direkte Bewachung der Gefangenen enthalten, die per Gesetz dem Justizministerium vorbehalten ist, sehr wohl aber die ordentliche und außerordentliche Instandhaltung der Vollzugsanstalt, die Führung aller Dienste wie Mensa, Wäscherei und Reinigung, sowie die Verwaltung der Bereiche für sportliche Betätigung, Weiterbildung und die Freizeitaktivitäten der Gefangenen.
Auch die zweite Baustelle ist ein Großprojekt. Auf dem Schulareal "Pascoli – Longon" soll in der Landeshauptstadt ein neues Bibliothekenzentrum entstehen. In dem neuen Bibliothekenpool werden die drei Bibliotheken der Stadt zusammengeführt, die Landesbibliothek "Dr. F. Teßmann", die Stadtbibliothek Bozen "C. Battisti" sowie die Italienische Landesbibliothek "Claudia Augusta". Das Siegerprojekt des Architekten Christoph Mayr Fingerle ermöglicht dabei den Erhalt des Eingangsbereichs, der Hauptfassade und der Haupttreppe der Pascoli-Schule.
 
Auch diesen Auftrag hat sich um rund 40 Millionen Euro die Condotte SPA gesichert. Das römische Unternehmen hat Ende Juni 2017 mit der höchsten Punktezahl die öffentliche Ausschreibung gewonnen. Auch hier beträgt die Bauzeit drei Jahre.
Während beim Auftraggeber Land absolute Funkstille herrscht, meldete sich unmittelbar nach Erscheinen des Artikels bei salto.bz ein bekannter Südtiroler Unternehmer. Sein Unternehmen war bei der Ausschreibung zum Bibliothekenzentrum zusammen mit einem Südtiroler Firmenkonsortium nur knapp unterlegen. „Es müsste jetzt doch eine Neubewertung geben“, sagt der Südtiroler Firmeninhaber.
Bisher hat sich in Bozen aber noch niemand gerührt.
 

Der BBT

 
Ganz anders jenseits des Brenners.
Die Tiroler Tageszeitung (TT) berichtet am Montag über die Auswirkungen der Condotte-Schieflage auf ein Jahrhundertprojekt.
Denn die Condotte SPA baut auf österreichischer Seite des Brennerbasistunnels auch beim größten, um 966 Millionen Euro im Vorjahr vergebenen Baulos Pfons – Brenner mit. Sie ist dort Teil der Projektgesellschaft von Porr, G. Hinteregger & Söhne Baugesellschaft m.b.H und Itinera S.p.A. Jetzt ist die große Frage, was passiert mit dem BBT-Baulos?
Es ist ein Frage, die derzeit niemand beantworten kann. „Das Problem ist“, sagt der Chef der BBT-Beobachtungsstelle Martin Ausserdorfer zu salto.bz, „dass die Rechtslage zwischen Österreich und Italien völlig unterschiedlich ist“. In Österreich gibt es das Konkordat nicht. Das heißt: Es wäre ein Konkurs und damit müsste Condotte den Auftrag verlieren. „Wir haben mehrere Rechtsgutachten in Auftrag gegeben“, sagt Ausserdorfer, „doch zählten wird am Ende nur die Interpretation des Gerichts in Rom“. Bis diese aber kommt, werden Monate vergehen.
 
Sollte es wirklich soweit kommen, dass die Bietergemeinschaft von Codotte SPA den Jahrhundertauftrag verliert, hat man ein weiteres Problem. Zweiter bei Ausschreibung wurde die Bietergemeinschaft „Oberosler-Astaldi“. Weil aber auch die Oberosler SPA große finanziellen Schwierigkeiten hat und ebenfalls eine gerichtliches Konkordat angemeldet hat, findet man auch hier dieselbe Situation wie in der Condotte-Bietergemeinschaft.
Dritter bei der Ausschreibung wurde die Bietergemeinschaft „Impregilo, Salinger, Strabag AG“. Doch hier fehlen die die gewerberechtlichen Voraussetzungen in Österreich. 
Damit bleibt nur mehr der Viertplatzierte. Der Schweizer Konzern „Implenia AG“. Diese hatte um genau 250 Millionen Euro mehr für die Bauarbeiten verlangt, als der Wettbewerbssieger um die Condotte SPA.
Die TT geht deshalb davon aus, dass es zu einer europaweiten Neuausschreibung des Bauloses kommen wird. Diese Neuausschreibung wird aber mindestens ein halbes Jahr dauern. Damit verzögert sich der ambitionierten Zeitplan des BBT deutlich. Martin Ausserdorfer bremst noch: „Vor einer Entscheidung muss die Rechtslage klar sein.“
 

Bewegung in Pisa

 
Direkte Auswirkungen könnte die Condotte-Schieflage aber auch auf ein Großprojekt mit Südtiroler Beteiligung in Pisa haben.
Das Sterzinger Unternehmen Leitner Ag hat zusammen mit der Baufirma Condotte SPA mit dem Pisamover in der toskanischen Stadt eine Minimetro zwischen dem Hauptbahnhof und dem Flughafen verwirklicht. „Die Arbeiten sind abgeschlossen und die Anlage ist bereits seit 9 Monaten vollständig und ordnungsgemäß im Betrieb“, heißt es aus der Sterzinger Firmenzentrale.
Betrieben wird die Verkehrsinfrastruktur von der Pisamover SpA, die zu 28 Prozent der Leitner AG gehört, zu 62 Prozent der „Condotte Investimenti Infrastrutturali Srl“ und zu je 5 Prozent der „Inso Spa“ und der „Società Italiana per Condotte d’Acqua Spa.“
Nachdem die Nachricht des Antrags auf gerichtlichen Ausgleich durchgesickert ist, wurde die Situation im Gemeinderat äußerst kontrovers diskutiert. Die Opposition, die dem Pisamover-Projekt von Beginn an äußerst kritisch gegenübersteht, nutzte die Situation am vergangenen Donnerstag zum einem erneuten Angriff im Stadtrat.
 
Auch bei der Firma Leitner AG nimmt man die Condotte-Schieflage durchaus ernst: „Als einer der Minderheitsgesellschafter der Pisamover SpA, und gleichzeitig Lieferant mit noch ausständigen Forderungen, beobachten wir die derzeitige Situation von Condotte mit großer Besorgnis“. Vor allem bemängelt der Südtiroler Seilbahnbauer, dass man vonseiten der Condotte kaum Informationen bekommt und von den Entwicklungen und Neuigkeiten nur aus den Medien erfahren muss.
Unternehmenssprecher Maurizio Todesco zu salto.bz: „Unsere Vertreter in den jeweiligen Gesellschaftsgremien wurden bereits damit beauftragt unsere Interessen zu schützen.