Ester Ladins

Wegbereiter des Kulturvereins EPL (Ert por i Ladins) war vor 60 Jahren der Priester und Künstler Angelo Morlang, der eine Vereinigung der Künstlerinnen und Künstler des Gadertals anregte, mit dem Ziel, sich gegenseitig zu motivieren, zu unterstützen, zu organisieren und zu fördern. Zahlreiche Initiativen und Ausstellungen haben seitdem stattgefunden – über Jahrzehnte hinweg, in denen die Täler des ladinischen Raums grundlegende kulturelle, wirtschaftliche und gesellschaftliche Veränderungen erfahren haben.
Wie ist unser Verhältnis zur Natur? Fühlen wir uns noch zugehörig, oder haben wir uns entfremdet?
Nachdem die Kunst Jahrhunderte lang von vorherrschenden Grundsätzen und mächtigen Mäzenen bestimmt worden war, sucht sie nun in der Gegenwart nach einer neuen Definition, einer individuellen Dimension, um Ausdruck und Zeugnis der Resonanz jener historischen Ereignisse, mit denen jeder einzelne konfrontiert wird, zu sein. Künstler haben die besondere Eigenschaft, das Gewirr der Geschichte mit ihren zeitlichen Umbrüchen und Übergängen intensiver zu empfinden als andere, denen all dies mehr oder weniger verborgen bleiben. Was nun in Bruneck präsentiert wird, ist ein Einblick in die Gedanken und Gefühle von mehr als 30 Künstlern und Künstlerinnen.
Zwischen Kunst und Natur
Eine kleine Auswahl an gesammelten Künstler-Reflexionen soll einen Einblick in das Anliegen der Ausstellung geben:
„What happens next?“ – „Wie geht's weiter?“ Diese Frage stellt sich der aus dem Grödnertal stammende Künstler Christian Verginer, und bringt damit auch unsere Hilflosigkeit gegenüber von Paradigmenwechseln und existenzieller Problematik zum Ausdruck.
„Wie ist unser Verhältnis zur Natur? Fühlen wir uns noch zugehörig, oder haben wir uns entfremdet?“ fragt sich hingegen der Fotokünstler Gustav Willeit aus Corvara und findet eine Antwort: „Wenn es gelingt, die Natur – die durchdrungen ist von unnachahmlicher Schönheit – auf unverfälschte Weise zu betrachten, wird die Schönheit zu einem Wert und dient als Schlüssel, um über unsere Existenz nachzudenken und sie zu verstehen.“
Dass sich die ladinischen Künstler und Künstlerinnen schon immer am Schönen inspiriert haben, ist auch an den Überresten von hochwertigem Kunsthandwerk aus dem 9. Jahrhundert n. Chr. erkennbar. Die rätischen Vorfahren fertigten Gegenstände aus Bronze, dekoriert mit pflanzlichen Motiven wie Kiefernzweigen und -nadeln, sowie Darstellungen von Wildtieren, z.B. Hirsche, die an heilsamen Quellen trinken.
Der aus Enneberg stammende Künstler Fabian Feichter möchte mit seiner Kunst daran erinnern, dass die Verbindung zwischen den Bergen und ihren Wassern, den grundlegenden Wasserreserven der Dolomiten, nicht auf ewig garantiert ist. Leider kommt inzwischen immer öfter vor, dass das unverantwortliche Handeln des Menschen das natürliche Gleichgewicht zwischen Verbrauch und Verfügbarkeit ins Wanken bringt. „Der Mensch verschmilzt in seiner Existenz mit der Umwelt, in einer Reihe von unterschiedlichen und bedeutungsvollen Begebenheiten“ lautet die Interpretation von Margareth Forer, die aus Enneberg stammt und am Kunstgymnasium in St. Ulrich Malerei lehrt. „Der Körper versinkt in der Erde und wird ein Teil von ihr. Die künstlerische Tätigkeit ergründet den verborgenen Sinn unserer Existenz.“
In der kulturellen Identität Ladiniens gibt es eine tiefe Verbindung zwischen Wahrnehmung, dem Leben in den Bergen und den Traditionen. Der Künstler Markus Moling aus Wengen erklärt sein Werk folgendermaßen: „Unser Bild der Realität wird geprägt von Emotionen, Erinnerungen, Gedanken und zeitlichen Umständen. Die Situationen überlagern unsere Denk- und Sichtweise, und beeinflussen das Empfinden und Erleben.“ Franz Irsara aus Abtei präsentiert Zeichnungen, die weitaus mehr sind, als persönliche Kindheitserinnerungen.
Mit seinem Werk Mater Tirolensis liefert der zeitgenössische Künstler Claus Soraperra de la Zoch aus dem Fassatal das Zeugnis einer Tradition, die die Modernisierung überlebt hat – oder vielleicht auch nicht. Die Bilder der chilenischen Malerin Mariana Acuña evozieren eine Zukunft, in der Freiheit der Gedanken, Freiheit vom Konsumverhalten, sowie eine individuelle und durch die Begegnung mit anderen Kulturen bereicherte Freiheit herrschen. Das verkörpern die geheimnisvollen Phantasiewesen, die aus den Schatten der lateinamerikanischen Seele geboren wurden, aber auch Aspekte unserer Bergkultur in sich tragen.
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