Sergio Mattarella, presidente, Repubblica
Foto: Quirinale
Politica | Regierungskrise

Mattarella soll's richten

Im Parlament wächst die Nervosität und die Zahl der Überläufer.

Dass sich ein politisch instabiles Land wie Italien mitten in der Pandemie eine Regierungskrise leistet, mutet eher surreal an. Zu den täglichen Fernsehbildern aus überfüllten Krankenhäusern kommen in den telegiornali nun jene aus den Prunksälen des Quirinalspalastes, in dem der fast 80-jährige Staatspräsident seine Bemühungen um die Lösung dieser Krise begonnen hat. Zwischen ihm dem Auslöser dieser Krise liegen Welten. Sergio Mattarella liegt das Wohl der Republik und ihrer Bürger am Herzen, Matteo Renzi vor allem sein eigenes und seine politische Laufbahn. Der Dritte auf der Bühne ist  der smarte Premier Giuseppe Conte, gegen den sich jetzt Vorwürfe und Kritiken häufen. Ihm werden Starrsinn und Eitelkeit vorgeworfen, man schildert ihn als "Sonnenkönig, der gegen die Wand fährt", kreidet ihm die "ideologische Verbohrtheit" an, mit der er die miliardenschweren Hilfskredite der EU verzögert habe, kritisiert sein Anwerben von Überläufern und seinen "persönlichen Krieg" gegen Matteo Renzi, der es kaum erwarten kann, ihn von der politischen Bühne zu stossen. Conte: "Non mi umilio per Renzi." Die Fünf-Sterne-Bewegung verurteilt den Italia-Viva-Chef schlichtweg als "irresponsabile".

Dem Turiner Tagblatt La Stampa genügen sechs Worte zur perfekten Lagebeschreibung: "Il palazzo litiga, il paese affonda". Schon werden die Namen möglicher Regierungschefs ins Spiel gebracht – von Mario Draghi bis Paolo Gentiloni. Dass ein paar als responsabili gepriesene Christdemokraten aus Berlusconis Lager die politische Stabilität der Halbinsel garantieren können, scheint kaum glaubhaft. Im Lager von Forza Italia mustern sich die Senatoren mit verdächtigen Blicken. Berlusconis langjähriger Staatssekretär und Forza-Italia-Statthalter in Apulien, Luigi Vitali, gilt ebenso als Absprung-Kandidat wie Anna Carmela Minuto, Maria Tiraboschi und Gabriella Giammanco. Der Ex-Cavaliere beobachtet das Szenario besorgt aus seiner Luxusvilla an der Cote d'Azur.

Conte hat zwei Wochen lang versucht, die durch den Auszug von Renzis Senatoren entstandene Krise eigenhändig zu lösen, statt sie in die Hände des Staatspräsidenten zu legen. Der Premier bastelt nun an einer eigenen Mehrheit, um Renzi aus einer Position der Stärke zu begegnen. Dessen Parteifreundin Teresa Bellanova bringt Aussenminister Luigi Di Maio als möglichen Premier ins Spiel: "Non metteremo veti su Conte, ma non c'è solo lui."

Di Maio: "Mi tirano in ballo per mettermi contro Conte." Was die Angelegenheit noch komplizierter erscheinen lässt, sind die parteiinternen Zwistigkeiten – sowohl im Partito Democratico als in der Fünf Sterne Bewegung. Auch die Opposition sorgt für zusätzliche Verwirrung. Etwa das kaum verschleierte Angebot von Lega Chef Matteo Salvini zur Beseitung seines Erzfeindes: "Una volta tolto di mezzo Conte si può ragionare." Völlig überflüssig schliesslich mutet der Vorstoss Contes zur Einführung eines neues Wahlrechts an – seit Jahrzehnten ein Lieblingsthema der Parteien, vom Mattarellum über das Italicum bis zum Porcellum.

Fazit: Mattarella ist nicht zu beneiden. Doch alle Hoffungen ruhen auf ihm.