Società | Erster Weltkrieg

“Keine Siege durch Kriege”

Anlässlich 100 Jahre Kriegsende mahnt Bischof Ivo Muser Frieden an. Er verurteilt die Wahlplakate von CasaPound und fordert eine Umbenennung des Siegesplatzes in Bozen.
Friedensplatz Bozen
Foto: Südtirolfoto/Othmar Seehauser

Hundert Jahre sind vergangen. Es waren die Tage rund um Allerheiligen und Allerseelen des Jahres 1918. Nach vier verheerenden Jahren gingen die Kriegshandlungen des Ersten Weltkrieges zu Ende. Das Kriegsende, das sich heuer zum hundertsten Mal jährt, nimmt Bischof Ivo Muser für eine mahnende Botschaft zum Anlass, die nach einem Jahrhundert an Aktualität nichts verloren hat. “Der Friede ist nie selbstverständlich, er muss Tag für Tag gewollt und aufgebaut werden”, schreibt Muser in seinem Hirtenbrief “Selig, die Frieden stiften”. Darin verurteilt er die Wahlplakate von CasaPound, ruft zu Toleranz auf – und fordert eine Umbenennung des Siegesplatzes in Bozen in einen “Platz des Friedens, der Versöhnung, der Verständigung und des Willens zum Zusammenleben”.

 

Nein zu Unmenschlichkeit

Im Gedenken an den Ersten Weltkrieg benennt der Bischof die Ursachen, die zu dieser “Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts” geführt haben: “Ein Nationalismus, der zum Religionsersatz geworden war; Hass, Verachtung und Arroganz gegenüber anderen Völkern; die Anmaßung absoluter Macht über Leben und Tod, aber auch die Gier nach Reichtum und neuem Lebensraum. Damals wie heute wird der Friede durch massive Gerechtigkeitsdefizite und Verstöße gegen die Menschenrechte bedroht. Besonders gefährlich sind auch Glorifizierung und Rechtfertigung von Gewalt. Es muss ein klares und hörbares Nein durch unsere Gesellschaft gehen, wenn Menschengruppen generell verdächtigt werden oder wenn dazu aufgerufen wird, unser Land von bestimmten Menschengruppen zu reinigen.

“Der Erste Weltkrieg brachte weitreichende Folgen für unser Land”, fährt Muser fort. “Südtirol kam zu Italien; Tirol wurde auseinandergerissen und auf zwei Staaten aufgeteilt; mitten durch die alte Diözese Brixen führte nun eine Staatsgrenze. Durch die faschistische Ideologie kam es zu schmerzlichen Verboten im Bereich der Sprache, der Schule, der Kultur, des Vereinswesens. Eine gewollte und erzwungene Entfremdung im jahrhundertealten Kulturraum Tirol begann. Für viele Menschen waren die folgenden Jahrzehnte leidvoll geprägt durch die beiden Diktaturen des Faschismus und des Nationalsozialismus, durch die unselige Optionszeit und den Zweiten Weltkrieg.”

 

“Keine Siege durch Kriege”

“In diesen Tagen der Erinnerung, des Bedenkens und Gedenkens, sollte niemand von einem Sieg reden und Siegesdenkmäler aller Art, die an Diktaturen und Kriege erinnern, sollten für immer ihre Anziehungskraft verlieren”, schreibt Bischof Muser: “Es wäre ein konkretes und weitsichtiges Zeichen, wenn der Platz vor dem sogenannten Siegesdenkmal in Bozen zu einem Platz des Friedens, der Versöhnung, der Verständigung und des Willens zum Zusammenleben umbenannt würde! Es gibt keine Siege, die durch Krieg, durch Nationalismus, durch Abwertung anderer Völker, Sprachen und Kulturen erreicht werden. Am Ende eines Krieges gibt es immer nur Verlierer!”

 

Kennenlernen als Brücke für Frieden

Zugleich ruft der Bischof dazu auf, das Gedenken an den Ersten Weltkrieg im Hinblick auf das Zusammenleben in der Gegenwart zu begreifen: “Wir brauchen heute konkrete, verbindende und versöhnende Zeichen, die uns helfen, die Geschichte gemeinsam zu verstehen, zu vergegenwärtigen, zu deuten und zu verzeihen. Wir alle können schlichte Zeichen des Friedens setzen, indem wir uns bemühen, die ‘Anderen’ kennenzulernen: den eigenen Nachbarn und die eigene Nachbarin; einen konkreten Menschen, der einer anderen Volksgruppe angehört; einen Flüchtling mit seiner Geschichte und seiner Hoffnung. Jedes echte Kennenlernen baut eine Brücke für den Frieden.”

Bischof Muser unterstreicht in seinem Hirtenbrief schließlich auch, dass der Krieg nicht erst auf den Schlachtfeldern beginnt: “Kriege beginnen in den Gedanken, Gefühlen und Worten der Menschen. Es besteht ein enger Zusammenhang zwischen Denken, Reden und Tun – vor hundert Jahren und auch heute.”

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gorgias Lun, 10/29/2018 - 15:22

Das Siegesdenkmal und der umgebende Platz kann niemals ein Symbol des Frieden sein, da es in seiner ganzen Erscheinung Ausdruck von Nationalismus und Chauvinismus ist. Der Name "Friedensplatz" hat deshalb einen schalen Beigeschmack.

Ich schlage vor den Platz deshalb dem ersten Opfer des Faschismus in Südtirol zu widmen: Franz Innerhofer

Lun, 10/29/2018 - 15:22 Collegamento permanente
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luigi spagnolli Lun, 10/29/2018 - 16:29

Das Siegesdenkmal und der umgebende Platz werden magari nie ein Symbol des Friedens sein, sind aber doch ein Symbol der letztendlich immer erkennbaren Gerechtigkeit der Geschichte.
Wenn man nämlich heute die berühmte und umstrittene Schrift liest, vor der Talferbrücke stehend und in Richtung Süden schauend - es gibt keine Alternative -, muss man sich die Frage stellen: wer hat wen zivilisiert? Diejenigen, die vor hundert Jahren vom Süden zu uns gekommen sind, oder wir heute, die jeden Tag dem ital. Staat zeigen, wie die öffentlichen Dienste in der Autonomen Provinz viel effizienter funktionieren als in Rom?
Wer ist also heute der Sieger, wir, oder die Italiener?
Siegesplatz und Siegesdenkmal können deshalb ruhig bleiben, da wir Südtiroler die Sieger sind. Evtl. mit einer kleinen Ergänzung: Sieg-der-Eintracht-Platz, und -Denkmal. Eintracht passt einfach, m.M.n., unserer Geschichte besser als Frieden an.

Lun, 10/29/2018 - 16:29 Collegamento permanente