Politica | Landtag

Der freie Samstag

Die Opposition will den Landeshauptmann im Landtag in Sachen Coronamaßnahmen zur Rede stellen. Wie Sepp Noggler dabei Arno Kompatscher ausgebremst hat.
Die Rollen sind klar verteilt.
Die Opposition begehrt auf und sagt „Landeshauptmann, so nicht“. Der Landtagspräsident zeigt sich als wahrer Demokrat, reagiert umgehend und beruft für kommenden Donnerstag eine Dringlichkeitssitzung ein. Der Landeshauptmann, arg in Verlegenheit, muss sich beugen.
Dass das Coronaspiel, das man jetzt auf die Bühne gebracht hat, in Wirklichkeit nicht ganz so abgelaufen ist, zeigt ein Blick hinter die Kulissen.
 

Dreifache Rolle rückwärts

 
In der politischen Auseinandersetzung geht es um die neuen Coronamaßnahmen des Landes. Arno Kompatscher und die Landesregierung haben in den vergangenen Wochen keine gute Figur gemacht. Wie ein Eiskunstläufer sind die Südtiroler Verantwortlichen über das Corona-Eis geschlittert, nach dem stolzen Rittberger und dem autonomen Südtiroler Doppelaxel folgte am Ende der Pflicht plötzlich eine dreifache Rolle rückwärts. Die Kür mit dem eigenen Landesgesetz wurde mitten im Lauf abgebrochen und man schwenkte über Nacht auf die restriktiven staatlichen Coronamaßnahmen um.
 
 
Weil es längst zur normalen Tagesordnung gehört, dass Dekrete und Gesetze in diesem Land mehrmals überarbeitet werden müssen, kam es auch bei diesen Notverordnungen zu laufenden Kurskorrekturen, die die allgemeine Verunsicherung noch deutlich verstärkt haben. Dass man zusätzlich nicht imstande war, die beschlossenen Maßnahmen der Bevölkerung und den Betroffenen verständlich zu kommunizieren, dürfte die Frage nach dem Sinn und Zweck einer aufgeblähten Kommunikationsagentur noch virulenter machen.
Arno Kompatscher hat seinen Kritikern mit diesem Schlitterkurs einen Elfmeter aufgelegt. An den Stammtischen des Landes schimpft und spudert man seit Tagen, maskenlos und in 20-Zentimeter-Entfernung auf die verantwortlichen Politiker, die die alleinige Schuld an den wachsenden Covid-Zahlen in Südtirol tragen.
Wie ein Eiskunstläufer sind die Südtiroler Verantwortlichen über das Corona-Eis geschlittert, nach dem stolzen Rittberger und dem autonomen Südtiroler Doppelaxel folgte am Ende der Pflicht plötzlich eine dreifache Rolle rückwärts.
Berechtigterweise ist es aber auch die Stunde der Opposition. Die politische Minderheit füllt ihre Rolle als Korrektiv der Macht aus und kreidet der Landesregierung Fehler, Unterlassungen und vor allem die Ausschaltung des Landtages in dieser entscheidenden Frage an.
 

Die Sondersitzung

 
In den letzten Tagen wurden ─ ohne Rücksprache mit dem Landtag ─ chaotische Maßnahmen und Verordnungen vom Landeshauptmann erlassen, die die Grundrechte der Bürger massiv einschränken“, wettert Sven Knoll. Der Kopf der Südtiroler Freiheit weiter: „Landeshauptmann Kompatscher kann nicht einfach nach persönlichem Gutdünken derartige Entscheidungen treffen und dabei den Landtag ausschalten.
Die Landesregierung habe in den letzten Tagen ein unglaubliches Chaos angerichtet. Widersprüchliche Aussagen zur Maskenpflicht und zu den Ausgangssperren sowie Bestimmungen wie jene zur Schließung der Bars, die zuerst angekündigt und dann wieder zurückgenommen wurden, hätten die Bevölkerung extrem verunsichert. Deshalb fordert Sven Knoll, dass Arno Kompatscher vor dem Landtag Rechenschaft abgibt.
 
 
Bereits am Donnerstag wird klar, dass Knoll damit den Nerv seiner Mitstreiter trifft. Geschlossen forderte die Opposition bei der Fraktionssprechersitzung die Einberufung einer außerordentlichen Landtagssitzung, Am Freitag formalisierte die Südtiroler Freiheit den „Antrag auf Einberufung einer außerordentlichen Landtagssitzung im Dringlichkeitswege (innerhalb von 48 Stunden), um Ordnung in das Chaos zu bringen, aber auch, um Stabilität und Rechtssicherheit wiederherzustellen.“
Landtagspräsident Sepp Noggler kommt diesem Ansinnen umgehend nach. Noggler setzt für den kommenden Donnerstag, 5. November, von 16 bis 18 Uhr eine Sondersitzung des Landtags an. Am Dienstag erfolgt die offizielle Einberufung. ‘Früher geht’s nicht“, meint Noggler gegenüber den Dolomiten.
 

Hearing am Samstag

 
Was der Landtagspräsident aber geflissentlich verschweigt: Es wäre durchaus früher gegangen. Aber ausgerechnet Sepp Noggler hat hier seinen Parteikollegen Arno Kompatscher auflaufen lassen.
Der Landeshauptmann hat bereits am vergangenen Donnerstag schriftlich seine Bereitschaft zu einer sofortigen Anhörung bekundet. Gerhard Duregger, Kompatschers rechte Hand, schreibt an diesem Tag an Landtagspräsident Sepp Noggler und den Generalsekretär des Landtages Florian Zelger:
 
Sehr geehrter Landtagspräsident, sehr geehrter Generalsekretär,
der Landeshauptmann wird selbstverständlich dem Vorschlag der Fraktionsvorsitzenden nachkommen und die Abgeordneten am kommenden 10. November über die Aktuelle Lage und die entsprechende Maßnahmen bezüglich COVID 19 informieren.
Gleichzeitig regt der Landeshauptmann aufgrund der aktuellen Ereignisse jedoch an, den Landtag bereits an diesem Samstag, 31. Oktober, im Rahmen einer außerordentlichen Videokonferenz über die aktuelle Lage und die entsprechenden Maßnahmen zu informieren.“
 
 
 
Die Antwort aus dem Generalsekretariat des Landtages fällt nüchtern aus:

Sehr geehrte Dr. Duregger,
nach Rücksprache mit dem Landtagspräsidenten teilen wir Ihnen mit, dass die Anfrage eine Rede- und Antwort-Stunde im Landtag im Zuge der nächsten Sitzungsfolge betraf.
Natürlich steht es dem Landeshauptmann frei, eine Informationsveranstaltung – so wie vorgeschlagen – mit den Abgeordneten zu organisieren, schließlich werden die Räumlichkeiten und die Dienste des Landtages für Ihren Vorschlag nicht benötigt, da eine Videokonferenz vorgeschlagen wurde.“
 
Sepp Noggler hat Arno Kompatscher damit erklärt, dass er das Hearing am Samstag als Privatinitiative durchaus veranstalten könnte. Die institutionelle Gangart des Landtages sei aber eine andere. Nach Informationen von Salto.bz hat Kompatscher noch am Freitag per Mail an die Fraktionssprecher den Vorschlag eines Hearings für Samstag erneuert. Ohne Reaktionen.
Geschickter kann man einen Landeshauptmann kaum ausbremsen. Denn zwei Tage später stellen die Medien unisono Arno Kompatscher als großen Zauderer, Sven Knoll als Sieger und Sepp Noggler als großen Vermittler in diesem Konflikt dar.
Man kann diesen Schachzug Nogglers als Facette des Machtspiels innerhalb der SVP sehen. Oder weit profaner. Der Landtag ist ganz einfach zu faul, an einem freien Samstag zu arbeiten.
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Klemens Riegler Dom, 11/01/2020 - 10:08

Wie realitätsfremd (Noggler) muss man denn eigentlich sein um in Zeiten wie diesen einen Termin mit der Opposition am 5. oder 10. November anzusetzen? ... wenn sich die Situation täglich ändert und alle zwei Tage "verschärft" werden muss. Zudem werden am 5. oder 10. November längst andere (Conte) über uns entschieden haben. Der LH lag schließlich richtig mit der Idee der gänzlichen Schließung im Gastrobereich. Die Opposition hätte ihm wohl eher zur Seite springen sollen ... gegen die Interessen der Lobbys! Und zusammen ... (wie heißt es doch so schön: "Wir halten zusammen") die leider notwendigen Entscheidungen zu treffen. Und dann sollte der LH endlich abwechselnd eine/n aus den Oppositionsrängen zur Verkündigung neuer restriktiver Regeln in die PK mitnehmen. Dann hat die Opposition auch ihre "Präsenz" und darf sich von der Anti-Corona-Front auf die Haube hauen lassen.

Dom, 11/01/2020 - 10:08 Collegamento permanente
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Peter Gasser Dom, 11/01/2020 - 10:30

In risposta a di Klemens Riegler

So ist es;
Rom wird Südtirol, das schon heute längst “rote Zone” ist, am Montag in den Lockdown schicken, und unsere Politiker, die mangels Sachlichkeit und Courage die notwendigen Maßnahmen nicht setzen, können dann auf Rom verweisen und auf Rom schimpfen... was für ein - vor allem auch langfristig für die Wirtschaft - schädliches Spiel ohne gesellschaftlichen Zusammenhalt.
Zu diesem gesellschaftlich fehlerhaften Verhalten gab es im deutschen Fernsehen in den letzten Wochen einige gut besetzte und sehr interessante Gesprächsrunden.

Dom, 11/01/2020 - 10:30 Collegamento permanente