Politik | Kommentar

Der Zaunkönig

Der unbändige Wille von Michl Ebner immer wieder einmal Landeshauptmann zu spielen, nimmt immer absurdere Züge an. Ein Wink mit dem Zaunpfahl.

Man muss die Zeilen zweimal lesen. Am Freitag Vormittag verschickte die Handelskammer Bozen eine Pressemitteilung mit dem Titel „Nein zum Zaun am Brenner!“. In der Aussendung heißt es:

„Die Polizei im Bundesland Tirol trifft, wie die Handelskammer soeben inoffiziell erfahren hat, derzeit Vorbereitungen zur Errichtung eines Zaunes am Brenner. Ein Aufschrei kommt deshalb von der Südtiroler Wirtschaft. Die Handelskammer Bozen geht von erheblichen Erschwernissen für den Warenverkehr aus und erwartet sich große Nachteile für die einheimische Bevölkerung und den Tourismus. Von den Südtiroler Wirtschaftstreibenden kommt daher ein klares Nein zur Schließung der Grenzen zwischen Nord- und Südtirol.“

Weil Gefahr im Verzug besteht, geht es darum die Menschheit umgehend aufzurütteln. „Wir appellieren an die Tiroler Exekutive, dass sie von ihrem Vorhaben absieht und die geplante Sperre der Grenzen nach Südtirol nicht umsetzt“, lässt sich Handelskammerpräsident Michl Ebner wie ein Herold der Freiheit in der Aussendung zitieren.
Die entscheidende Frage aber liegt gleich im ersten Satz der Presseaussendung. Dort steht: „wie die Handelskammer soeben inoffiziell erfahren hat“.
Der Generalsekretär der Handelskammer Alfred Aberer bestätigt wenig später gegenüber der Süddeutschen Zeitung die Informationen “aus seriöser Quelle” zu haben. Das Ganze klingt eher nach Geheimdienst, als nach Handelskammer.
Kann die Handelskammer aber etwas „inoffiziell erfahren“? Und darauf dann offiziell reagieren?
Wohl kaum. Die Handelskammer ist eine öffentliche Institution und ihr Präsident besetzt ein öffentliches Amt. In dieser Rolle kann und darf es weder eine inoffizielle Informationsbeschaffung und noch weniger eine Weitergabe von Nachrichten geben, deren Herkunft nicht überprüfbar ist. Öffentlich heißt gleichzeitig transparent und das bringt mit sich, dass Herr Ebner und seine Kammer entweder Ross und Reiter nennen oder still zu sein haben.

​Dass man eine solche inoffizielle Alarmmeldung verbreitet, zeugt davon, dass die Herren entweder ihr Amt und ihre Rolle missverstehen oder bewusst das demokratische System in diesem Land desavouieren wollen.

Dass man eine solche „inoffizielle Alarmmeldung“ verbreitet, zeugt davon, dass die Herren entweder ihr Amt und ihre Rolle missverstehen oder bewusst das demokratische System in diesem Land desavouieren wollen.
Wäre es anders hätte der mächtige Handelskammerpräsident wohl ganz einfach den Süd- oder den Nordtiroler Landeshauptmann angerufen und sich nach dem Stand der Dinge erkundigt.

Die seriöse Quelle

Lassen Sie uns aber ein bisschen über die „seriöse Quelle“ spekulieren.
Denn es fällt eines auf. Generalsekretär Alfred Aberer erklärt der Süddeutschen Zeitung, es werde bereits an der Herstellung von Informationsmaterial und Flyern gearbeitet, ebenso sei das Zaunmaterial bereits bestellt worden.
Flyer und Informationsmaterial werden bekanntlich gedruckt. Michl Ebner ist zufällig Besitzer einer der größten Druckereien in Süd- aber auch in Nordtirol. Ist dem Athesia-Boss hier ein großartiger Druckauftrag durch die Finger gegangen? Und ist das jetzt die Revanche?
Diese Erklärung würde wieder einmal den bestehenden eklatanten Interessenkonflikt Michl Ebners ans Tageslicht bringen. Sagt man deshalb nicht woher die „inoffizielle Information“ kommt.
Oder ist das Ganze viel einfacher. Bekanntlich steht Michl Ebner privat der Tiroler Wirtschaftslandesrätin Patrizia Zoller-Frischauf sehr nahe. Zoller-Frischauf ist unter anderem für „Angelegenheiten des Gewerbes und der Industrie, Wettbewerbsangelegenheiten, Vergabewesen, Preisangelegenheiten, Außenhandel; Marktordnung, Veranstaltungswesen und das Landespolizeigesetz“ zuständig.
Ist hier die „seriöse Quelle“ zu suchen?
Aber natürlich ist das alles nur (kranke) Phantasie.

„Bekanntlich steht Michl Ebner privat der Tiroler Wirtschaftslandesrätin Patrizia Zoller-Frischauf sehr nahe. Ist hier die seriöse Quelle zu suchen?“

Cui bono?

Die Nachricht vom Zaun am Brenner ist – so wie sie von der Handelskammer gebracht wurde - ein völliger Stumpfsinn. Das ändert sich auch dadurch nicht, dass Ebners Athesia die Falschmeldung noch tagelang mit geballter Medienmacht weiterschreiben wird.
Die Nachricht wurde nicht nur von den Nordtiroler Polizeibehörden glaubhaft dementiert, sondern auch vom Nord- wie auch vom Südtiroler Landeshauptmann. Tatsache ist, dass seit Monaten in den zuständigen Gremien die verschiedenen Szenarien theoretisch erörtert werden. Dazu gehört auch die zeitweilige Grenzschließung und Kontrolle am Brenner. Nicht mehr und nicht weniger.
Die Sirenen aus der Handelskammer haben in Wirklichkeit einen ganz anderen Hintergrund. Michl Ebner will sich als moralische Instanz, als Mahner in der Wüste und als vorausschauender Wächter der Südtiroler Wirtschaft positionieren. Der Handelskammerpräsident deckt selbstlos jene Machenschaften auf, die der böse Arno Kompatscher und sein Amtskollege Günther Platter heimlich planen. Zum Schaden der Süd- und Nordtiroler Bevölkerung.

 Michl Ebner will sich als moralische Instanz, als Mahner in der Wüste und als vorausschauender Wächter der Südtiroler Wirtschaft positionieren. Der Handelskammerpräsident deckt selbstlos jene Machenschaften auf, die der böse Arno Kompatscher und sein Amtskollege Günther Platter heimlich planen.

Dabei hat Michl Ebner am vergangenen Freitag wieder einmal seinem sehnlichsten Verlangen nachgegeben: Wenigstens einen Tag lang Landeshauptmann zu spielen. Ebner gibt vor, was das Land zu bewegen hat.
Nur eines muss man dem langjährigen SVP-Parlamentarier lassen. Den Zeitpunkt seines Winks mit dem Zaunpfahl hätte Michl Ebner nicht besser wählen können.
Mitten im Fasching.

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Dr. Streiter Mo., 08.02.2016 - 08:51

Die HK reagiert nunmal immer besonders sensibel wenns um die Brennerstrecke geht. Faymann spricht auch schon davon das Model Spielfeld auf andere Grenzen auszuweiten, wenns soweit ist. Bei aller Avversion gegen den Michl ist der Kommentar ein bissl zu sensationslüsternd. Diese "darfer offiziell/inoffiziell" Sache eine Haarspalterei. Dürfen tuter, es ist halt schlechter Stil gegenüber der Landesregierung, wie Sie richtig erkannt haben.

Mo., 08.02.2016 - 08:51 Permalink
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Benno Kusstatscher Mo., 08.02.2016 - 08:54

Ähnliches ging mir auch durch den Kopf. Ohne mich an weiteren Spekulationen beteiligen zu wollen, finde ich es äußerst schäbig, die Flüchtlingsthematik und deren Bewältigung für politische Spielchen zu benutzen, so weh Kontrollen am Brenner auch täten.

Mo., 08.02.2016 - 08:54 Permalink
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Mensch Ärgerdi… Mo., 08.02.2016 - 12:10

"Die Handelskammer ist eine öffentliche Institution und ihr Präsident besetzt ein öffentliches Amt. In dieser Rolle kann und darf es weder eine inoffizielle Informationsbeschaffung und noch weniger eine Weitergabe von Nachrichten geben, deren Herkunft nicht überprüfbar ist."
Ich teile die Meinung des Autors, dass solche Meldungen unangebracht sind. Doch habe ich meine Zweifel, dass Herr Ebner so etwas nicht darf: wo steht das geschrieben?

Mo., 08.02.2016 - 12:10 Permalink