Gesellschaft | Freiwild

Unbequemes Spiegelbild

Das deutsche Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ hat eine Reportage über die Südtiroler Rechtsrockband Frei.Wild veröffentlicht. Ein schonungsloses Porträt mit Tiefgang.
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Foto: frei.wild.net
In Südtirol wird jeder Furz um diese Band breitgetreten. 
Der Millionenerfolg der Brixner Rechtsrockband Frei.Wild wird in den meisten lokalen Medien wie ein patriotisches Hochamt zelebriert. Immer dann, wenn große deutsche Medien über die Band berichten, werden die Artikel von der Band oder ihren Beauftragten an befreundete Journalisten verteilt, die sie dann in ihren Medien aus zweiter Hand groß wiedergeben.
Doch diesmal ist es völlig anders. Das deutsche Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ hat eine große, sechsseitige Reportage über Frei.Wild gemacht. Eigentlich ein gefundenes Fressen. Der Spiegel gehört traditionell zu jenen Dutzend Medien, die weltweit meinungsführend sind.
Erstaunlicherweise liest man in Südtirol darüber kein Wort. Mit Ausnahme des Onlineportal „unsertirol24.com“ wird die Reportage über die Band totgeschwiegen.
Der Grund dafür ist einfach: Die Geschichte des Hamburger Nachrichtenmagazin ist wohl der beste bisher veröffentlichte Blick hinter die Kulissen des Projekts Frei.Wild. Der Bericht legt das Weltbild von Philipp Burger & Co schonungslos offen, er zeigt die Band und die Fans, so wie sie sind. Ungeschminkt beschreibt Spiegel-Reporter Maik Großekathöfer Frei.Wild vor allem mit und in ihren eigenen Worten.
Herausgekommen ist ein Porträt, das für Philipp Burger & Co wenig schmeichelhaft ist. Die Band und ihr Management sollen nach Informationen von salto.bz die Spiegel-Reportage gar nicht goutiert haben.
 

Der Tourbericht

 
Maik Großekathöfer (46) hat die Hamburger Henri-Nannen-Journalistenschule absolviert und bei der "Süddeutschen Zeitung", der "Deutschen Presse-Agentur“, der "Frankfurter Rundschau", dem "Stern" und bei RTL gearbeitet. Seit November 1999 ist Spiegelredakteur. Zuerst jahrelang im Ressort Sport und seit zwei Jahren im Ressort Gesellschaft.
Großekathöfer hat Frei.Wild auf ihre dreiwöchigen „Rivalen und Rebellen“-Tour begleitet. Die Band spielte dabei zwischen Ende März und Ende April ingesamt 19 Konzerte. Am 19. Mai 2018 erscheint im Spiegel unter dem Titel „Das wird man ja wohl noch singen dürfen“ dann Großekathöfers Reportage. Das Resümee im Vorspann sagt dabei bereits alles: „Verführung Die Rockband Frei.Wild füllt Deutschlands große Arenen. Ihre Lieder bedienen rechtes Gedankengut, manche sagen: Sie sind rechtsradikal. In jedem Fall klingen sie wie der Soundtrack zum Parteiprogramm der AfD. Ein Tourbericht.
 
 
Im Artikel heißt es dann:
 
"Frei.Wild und AfD, locken mit derselben Verheißung: Sie sind Pächter der Wahrheit in einer Umgebung voller Lüge. Die Band liefert gewissermaßen den Soundtrack zum Parteiprogramm. 
In ihren Liedern teilt Frei.Wild die Welt in Gut und Böse, in »wir« und »die«. Wir, das sind Menschen, die sich jeden Tag abrackern müssen, mit ihren Händen arbeiten und meinen, keine Anerkennung zu bekommen. Die, das sind Politiker, Journalisten, die Elite. 
Frei.Wild und AfD, locken mit derselben Verheißung: Sie sind Pächter der Wahrheit in einer Umgebung voller Lüge. Die Band liefert gewissermaßen den Soundtrack zum Parteiprogramm. 
Frei.Wild schreibt Lieder für Leute, bei denen sich offensichtlich etwas aufgestaut hat, die darum ringen, wo sie herkommen und wer sie eigentlich sein wollen. Die etwas rauslassen wollen, das man nicht überall laut sagen darf, aber singen schon. Seinem Publikum bietet die Band ein einfaches Identitätsangebot: die Rückkehr zu Bekanntem und Bewährtem.“
 
Besser kann man die Band und ihr Weltbild wohl kaum beschreiben.
Dabei kommt dem Autor zugute, dass er nicht die große verbale Nazikeule schwingt, sondern sich die Mühe macht, hinter die Phrasen, Tattoos und Liedertexte zu blicken.
 
„Frei.Wild ist, das soll hier einmal klargestellt werden, keine Naziband, sie sind nicht rechtsextrem. Aber Rechtspopulisten sind sie mit Sicherheit, sie beherrschen das Spiel mit dem Feuer. Und man kann unterstellen, dass ihre Fans mit Burgers Gedanken im Großen und Ganzen einverstanden sind. »Ich nehme die Sorgen der einfachen Bürger wahr«, sagt Burger. »Rockmusik ist total linkslastig. Wir passen nicht ins Schema, deswegen kritisiert man uns. Unsere Lieder klingen nach Meinungsfreiheit. Zum Auftrag der Kunst gehört, auch nonkonforme Themen anzusprechen. Deswegen mache ich Musik.“
 

Die Opferolle

 
Maik Großekathöfer hat lange mit Philipp Burger gesprochen. Er seziert die Gedankenwelt des Frei.Wild-Bosses mit dem Skalpell eines kritischen Beobachters, der sich von den einstudierten Phrasen des Stars nicht blenden lässt.
Großekathöfer über Burger:
 
Wenn man ihn mit dem Vorwurf konfrontiert, er lehne eine offene, moderne Gesellschaft ab, nimmt er einen energischen Zug, presst den Rauch durch die Nase und denkt ersichtlich etwas in der Art: heute wieder das große Gedeck.
Er legt die Finger an die Schläfe und beginnt mit seiner Gegenrede. Er sagt, dass er »gewisse Parallelen« erkenne zwischen der Judenverfolgung und der Massendynamik, mit der Frei.Wild als radikal abgestempelt werde. »Das hatten wir schon: Wenn der Mensch nicht seinem Herz und seinem Verstand folgt, sondern in einen Automatismus verfällt.« 
Burger zündet sich die nächste Zigarette an. Er sei nicht rechts, sagt er, sondern konservativ. »Ich schätze die scheinbar gestrigen Werte: Familie, Treue, Ehrlichkeit, Tradition.« Es sind die Werte der Provinz. 
 
Dann ist er beim Thema Heimat. »Ich könnte niemals aufhören, über Heimat zu singen, sonst würde ich eine Depression kriegen«, sagt er. »Heimat bedeutet Freiheit. Das Problem in Deutschland ist, dass jeder, der stolz auf seine Heimat ist, sofort als Rechter gilt.« 
Man muss sich erst einmal sortieren bei dem, was jetzt hier im Bus unter der Decke hängt. Hat er eben gesagt, dass er sich fühlt wie ein entrechteter Jude, wenn man ihn kritisiert?
Man muss sich erst einmal sortieren bei dem, was jetzt hier im Bus unter der Decke hängt. Hat er eben gesagt, dass er sich fühlt wie ein entrechteter Jude, wenn man ihn kritisiert?“
Der Spiegel-Reporter hat aber auch mit Fans gesprochen. Herausgekommen ist ein sensibles Porträt einer bedingungslosen Gefolgschaft. „Wenn Philipp Burger über die Fans redet, spricht er von der »Frei.Wild-Familie«. Das Publikum tritt aber nicht auf wie eine Familie, eher wie eine Armee“, schreibt Großekathöfer.
Dann beschreibt er einen aus der Frei.Wild-Fan-Familie, der es im vergangenen Jahr zu deutschlandweiter Bekanntheit brachte:
 
„Tobias Fritz ist ein einigermaßen bekanntes Mitglied dieser Armee. Er stammt aus Halle an der Saale und ist zum Konzert nach Leipzig gekommen. Im Oktober ist er verprügelt worden, weil er in einer Jacke der Band spazieren ging. Er weiß nicht mehr, wie viele Leute auf ihn losgegangen sind, fünf oder sechs müssen es gewesen sein. »Zecken«, sagt er. Sie haben ihm einen Zahn ausgeschlagen und die Ohrringe rausgerissen, und als er sich am Boden krümmte, haben sie ihn getreten. Tobias lag einen Tag lang auf der Intensivstation. 
Die Band hat den Überfall in einem Musikvideo nachgespielt, er passt gut zur Opferrolle, die Frei.Wild einnimmt. In dem Lied, in dem die Band über sich selbst singt, lautet ein Vers: »Von oben gejagt, doch von unten gewollt.« 
Tobias sagt, Frei.Wild gebe jemandem wie ihm eine Stimme.“
 

Goebbels & die Nazis

 
Maik Großekathöfer streut in seine Geschichte immer wieder Strophen und Refrains aus Frei.Wild-Songs ein. Meist unkommentiert sagen diese Textstellen, weit mehr über die Frei.Wild aus, als die meisten gescheiten soziologische Analysen.
 
Der Reporter zeigt dabei auch auf, wie geschickt zweideutig die Welt des Philipp Burger & Co ist.
 
Burger hat ein Lied geschrieben, in dem ein berühmtes Zitat von Joseph Goebbels vorkommt, »Sturm brich los«. Mit diesen Worten schloss Goebbels seine Rede im Sportpalast, bei der er zum totalen Krieg aufrief. 
»Für immer wild, für immer frei Anker und Flügel unseres Lebens Frei von Ketten und mit vollem Stolz dabei Sturm brich los, und trag uns laut voran.« 
Burger sagt, es handle sich um einen Zufall; er kenne den Satz aus der Bibel. Das muss nicht falsch sein, aber es bleibt eben auch ein Satz von Goebbels, und dieser Satz bleibt ein Teil von Burgers Song. Das ist das Einerseits.
Das Andererseits ist: Vor jedem Konzert von Frei.Wild kontrolliert der Sicherheitsdienst beim Einlass die Zuschauer auf rechtsextreme Zeichen und Symbole. Trägt jemand einen Aufnäher mit Lorbeerkranz und einer 88, der Chiffre für »Heil Hitler«? Hat irgendwer eine Jacke der Marke »Thor Steinar« an?
Burger sagt, es handle sich um einen Zufall; er kenne den Satz aus der Bibel. Das muss nicht falsch sein, aber es bleibt eben auch ein Satz von Goebbels, und dieser Satz bleibt ein Teil von Burgers Song.
Bei der Show in Hamburg feiert in der zweiten Reihe ein Mann, dessen rechter Arm mit einem Eisernen Kreuz tätowiert ist, dem Reichsadler und dem Spruch 
»Gott mit uns«. Der Schlachtruf stand auf dem Koppelschloss der Wehrmacht. Nach einer Weile entdeckt die Security den Mann, holt ihn nach vorn, schaut sich den Arm an, unternimmt aber nichts.
Burger wird später sagen: »Solche Kerle wollen wir nicht sehen.« 
Es ist ein Spiel mit Widersprüchen und Andeutungen. Es ist dasselbe Spiel, das Pegida bei seinen Demonstrationen spielt, bei denen Israel-Fahnen neben Reichskriegsflaggen wehen.“
 
Der Spiegel hat das Spiel durchschauberer gemacht.
In der Heimat von Frei.Wild will man das aber anscheinend so genau nicht wissen.
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Hartmuth Staffler Do., 07.06.2018 - 18:52

"Gott mit uns" stand zwar auf dem Koppelschloss der Wehrmacht, es ist aber kein "Schlachtruf", sondern ein Bibelzitat, das von den schwedischen Soldaten im 30-jährigen Krieg nach Deutschland gebracht wurde und dort Gefallen gefunden hat. Gedacht war es ursprünglich als Stoßgebet des Soldaten, der sich in die gefährliche Schlacht begab und auf die Hilfe Gottes vertraute, nicht getötet oder verletzt zu werden. Die Nazis haben dieses Bibelzitat nicht aus Überzeugung, sondern nur aus Tradition für die Wehrmacht beibehalten. Die nicht auf Traditionen beruhende SS hatte daher auch einen anderen Spruch am Koppelschloss.

Do., 07.06.2018 - 18:52 Permalink
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Sepp.Bacher Do., 07.06.2018 - 19:49

Antwort auf von Hartmuth Staffler

Bei manchen Bibelzitaten müsste man auch wissen, ob sie aus dem Alten oder neuen Testament stammen. Im Alten Testament gibt es Dinge, die so brutal und fast Menschen verachtend sind (nach heutiger Auffassung), dass man sie eigentlich auch als christliche nicht mehr zitieren dürfte. Andererseits findet man Sprüche oder Stoßgebete , wie "Gott mit uns" auch in anderen Religionen.
Ich kann aber nicht verstehen, dass man Dinge, Namen und Sprüche, die es vorher gab, wie der Name Adolf, jetzt tabuisieren muss!

Do., 07.06.2018 - 19:49 Permalink
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Martin B. Do., 07.06.2018 - 23:36

Scharf beobachtet. Neben Genossen würde ich auch Anarchisten dazunehmen die m.A. nicht total deckungsgleich sind.

Do., 07.06.2018 - 23:36 Permalink
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Armin Kobler Fr., 08.06.2018 - 08:21

"»Ich schätze die scheinbar gestrigen Werte: Familie, Treue, Ehrlichkeit, Tradition.« Es sind die Werte der Provinz."
Niemand muss diese Werte teilen, das bleibt jedem selbst überlassen. Aber sie pauschal als provinziell zu bezeichnen, sagt einiges über die Voreingenommenheit und Hochnäsigkeit des Autors aus. Ab dieser Textstelle beginnt man ihn nicht mehr richtig ernst zu nehmen, schade.

Fr., 08.06.2018 - 08:21 Permalink
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Michael Kerschbaumer Fr., 08.06.2018 - 09:46

Und salto berichtet jeden Furz wenn es etwas scheinbar negatives zu freiwild zu berichten gibt…und bringt sie immer wieder gross raus…anstelle die Band komplett zu schneiden….

Fr., 08.06.2018 - 09:46 Permalink