Politik | Zaun?

"Hier wird mit dem Feuer gespielt"

Arno Kompatscher und Günther Platter waren am Donnerstag in der ZIB2 zugeschaltet. Der Anlass: Die mögliche neue Grenze am Brenner. Die nun fix sein dürfte.

Update:

Nun dürfte es fix sein: Österreich wird am Brenner in den kommenden Wochen eine Grenzsicherung eingerichtet – unabhängig von einer Verlagerung der Flüchtlingsströme von der Balkanroute Richtung Italien. So die Informationen der Tiroler Tageszeitung, die kurz vor 9 Uhr am Freitag Vormittag in deren Online-Ausgabe erschienen sind. Demnach seien die Vorbereitungen der Tiroler Polizei nun abgeschlossen. Gemeinsam mit den Verantwortlichen des Grenzmanagements in Spielfeld wurde ein Konzept für den Brenner ausgearbeitet. Laut Informationen der Tiroler Tageszeitung soll es folgendermaßen aussehen: Eine Kontrollstraße mit Containern für die Registrierung von Flüchtlingen und Absperrungen mit Zäunen, die trotz topographischer Schwierigkeiten ein unkontrolliertes Ausströmen auf die Autobahn oder die Bahnstrecke verhindern sollen. Als Rechtfertigung für die Maßnahmen wird der erwartete Anstieg der Anzahl an Flüchtlingen genannt. Gleichzeitig soll jedoch die kürzlich von der österreichischen Regierung festgelegte Obergrenze von 37.500 Asylbewerbern eingehalten werden. Und dazu müsse nun einmal auch der Brenner beitragen.

 

Was am Donnerstag Abend geschah:

“Brennpunkt Brenner”. Unter diesem Titel widmete sich die wichtigste Nachrichtensendung Österreichs, die ZIB2 auf ORF2, am Donnerstag Abend dem Thema, das derzeit für vielerlei Spekulationen und entsprechende Verunsicherung sorgt: die mögliche Errichtung von Grenzzäunen an der österreichisch-italienischen Grenze. Live im ZIB2-Studio zugeschaltet waren die beiden Landeshauptleute von Tirol und Südtirol, Günther Platter und Arno Kompatscher, die sich den Fragen von Moderatorin Lou Lorenz-Dittlbacher stellten. Diese wollte zunächst von Platter wissen, ob er denn angesichts der derzeitigen Situation für einen Grenzzaun am Brenner wäre. “Von einem Grenzzaun hat niemand geredet”, versuchte sich der Tiroler Landeshauptmann in einem verbalen Ausweichmanöver. Auch auf mehrmaliges Nachfragen der Journalistin verwies er auf die österreichische Bundesregierung und das Innenministerium – für die Entscheidung, welche konkrete Maßnahmen im Rahmen des österreichischen “Grenzmanagements” getroffen werden – Kontrollen, Zäune oder sonstiges –, sei er selbst “nicht zuständig”, so Platter. Gleichzeitig beteuerte er, dass es eine deutliche Reduktion der Zahl an Flüchtlingen, die nach Österreich kommen, brauche. Auch dürfe die Einreise nicht unkontrolliert stattfinden. “Wenn es nicht anders geht, sind Grenzkontrollen die letzte zu treffende Maßnahme”, so Platter.

Als “eine sehr ungute Sache” bezeichnete sein Kollege Arno Kompatscher die Vorstellung, dass zwischen Nord- und Südtirol knapp 18 Jahre nach deren Öffnung erneut eine Grenze errichtet werden könnte. “Das Wegfallen von Barrieren im Sinne einer europäischen Lösung war ein Meilenstein, der nun ein Stück weit in Frage gestellt wird”, bedauerte Kompatscher. Er nehme zwar jegliche Entscheidung aus Österreich zur Kenntnis, doch Freude werde er keine damit haben, wenn diese im Sinne einer neuen Grenze ausfallen würde, so der Landeshauptmann.

Einig waren sich die beiden Politiker dann, als es darum ging, den für die sich zuspitzende Lage Verantwortlichen auszumachen: Es sei die Europäische Union, die in der Sicherung ihrer Außengrenzen und der Verteilung der Asylbewerber kläglich versagt habe, so Platter und Kompatscher unisono. Nichtsdestotrotz setzt man in Südtirol auf die europäische Staatengemeinschaft: “Ich glaube immer noch, dass man dort inzwischen verstanden hat, dass man hier mit dem Feuer spielt”, meinte Kompatscher, “denn Schengen bedeutet nicht nur freie Grenzen innerhalb Europas, sondern auch sichere Außengrenzen. Schengen in Frage stellen bedeutet Europa in Frage stellen”. Und auch Platter sagte: “Ich hoffe, dass Europa aufwacht.” Übereinstimmung zwischen den zwei Landeshauptleuten gab es auch darin, dass Italien allgemein und Südtirol speziell mit der Bewältigung eines eventuell massiv zunehmenden Flüchtlingsstroms nicht alleine gelassen werden dürfe. Gespräche zwischen Wien und Rom über gemeinsam zu treffende Vorkehrungen sind derzeit am Laufen, am heutigen Freitag trifft Bundeskanzler Werner Faymann mit Ministerpräsident Matteo Renzi zusammen. Gespräche soll es in Kürze auch zwischen den drei Mitgliedern der Euregio geben. Wie die Tiroler Tageszeitung zu berichten weiß, ist ein Euregio-Gipfel zur Flüchtlingsfrage in Vorbereitung. Dieser soll dazu dienen, “die Forderungen der Europaregion an die nationalen Regierungen und die EU deutlich zum Ausdruck zu bringen”, wird Günther Platter in der TT zitiert.

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Georg Schedereit Fr., 12.02.2016 - 10:50

"Einig waren sich die beiden Politiker dann, als es darum ging, den für die sich zuspitzende Lage Verantwortlichen auszumachen: Es sei die EUROPÄISCHE UNION, die in der Sicherung ihrer Außengrenzen und der Verteilung der Asylbewerber kläglich versagt habe, so Platter und Kompatscher unisono",

Nicht ganz unisono: Kompatscher scheint mir präziser als Platter u.v.a., die immer nur "die EU" als wohlfeilen Sündenbock für alles verantwortlich machen, was die einzelnen STAATSREGIERUNGEN nicht zustandebringen wollen an gemeinschaftlichem Vorgehen, z.B. eine humane, aber effiziente Absicherung der Außengrenzen, wie sie sie vom ersten Tag des Schengen-Abkommens hätten umsetzen müssen.
Dasselbe gilt für die Registrierung aller Flüchtlinge und die Verteilung der entsprechenden Lasten auf alle Staaten: Die gleichen Nationalstaaten, die dank der EU in ihren Gipfelnächten alle möglichen Kompromisse unterschreiben, die sie dann tags darauf zu Hause als "EU-Versagen" brandmarken. Halten wir fest: Alles "EU-Versagen" kommt aus den 28 Nationalstaaten und Nationalismen selber.

Fr., 12.02.2016 - 10:50 Permalink
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Bernd Zagler Fr., 12.02.2016 - 11:35

So lange wurde für die Euroregion Tirol gekämpft, jetzt (so wie es scheint) baut Österreich - nicht Italien - eine Grenze wieder auf...

Fr., 12.02.2016 - 11:35 Permalink
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Alfonse Zanardi Fr., 12.02.2016 - 16:41

Das wäre eine sehr bittere Sache, für die europäische Vision und auch für unsere lokale Identität.
Ein Europa ohne Grenzen ist der Weg für den Kontinent und heilt auch die Wunden und Gräben die die Geschichte mit sich gebracht hat.
Wenn der Preis dafür eine gewisse Abschottung nach aussen ist dann werden wir ihn bezahlen müssen.

Fr., 12.02.2016 - 16:41 Permalink