Gesellschaft | Gastbeitrag

„Es besteht absoluter Handlungsbedarf“

Daniel Betelle arbeitet seit langem als Lehrkraft an Südtiroler Mittel- und Oberschulen. Dass Gewalt von Jugendlichen Realität ist, musste er selbst erleben.
Schule
Foto: Pexels/Pixabay
  • Als langjährige Lehrkraft an Südtiroler Mittel- und Oberschulen möchte ich zum Artikel „Lehrpersonen kein Vorbild mehr?“ von Frau Anna Luther, welcher am 09.02.2024 auf dem Südtiroler Nachrichten- und Communityportal „Salto.bz“ veröffentlicht wurde, Stellung nehmen. In diesem Artikel wird die Vorbildfunktion von Lehrkräften, insbesondere im Kontext von Gewalt an Schulen, hinterfragt.

    Bezugnehmend auf die Aussendung der Pressemitteilung, in der der Parteiobmann der Freiheitlichen Herr Roland Stauder betont, dass sich in den vergangenen Jahren die Meldungen über Gewaltfälle und Vandalismus an unseren Schulen gehäuft haben, möchte ich aufgrund meiner persönlichen Erfahrung als Lehrkraft betonen, dass Gewalt an unseren Südtiroler Schulen sehr wohl vorkommt und ernst genommen werden muss.

    Am 27.03.2023 wurde ich von einem Schüler vor der gesamten Klasse zweimal körperlich angegriffen. Die Gewaltangriffe erfolgten während der Klärung eines Umstandes. Beim ersten Angriff nahm der Schüler plötzlich und unerwartet mit seinem rechten Arm Schwung auf und schlug mir bewusst und kräftig mit dem Ellenbogen auf das Brustbein, sodass mir kurz der Atem wegblieb. Kurz darauf fasste mich der Schüler mit seiner rechten Hand und einem kräftigen Schlag an meinen Kehlkopf und drängte mich würgend nach hinten.

    Um den typischen gängigen Aussagen „Wenn so etwas passiert ist, dann wird sicher die Lehrperson falsch gehandelt haben“ den Wind aus den Segeln zu nehmen, sei klargestellt, dass der detaillierte und ausführliche Bericht über diesen Vorfall, welchen ich Frau Direktor und den Klassenvorständen bzw. der Vizedirektorin und den Sozialpädagoginnen zukommen ließ, bestätigt und meine Handlung als absolut korrekt betrachtet wurde. Außerdem sei meinerseits kein Fehlverhalten oder Vorwurf festgestellt worden.

    Dieses Fallbeispiel zeigt nur eine Form von Gewalt auf, welche ich in den letzten Jahren persönlich erleben musste. Meine persönliche Schlussfolgerung demzufolge ist, dass der Lehrerberuf äußerst gefährlich sein kann.

    Des Weiteren wurden mir durch meinen Lehrerkreis Beispiele verschiedener Gewaltformen berichtet, denen Lehrkräfte ausgesetzt sind. Die häufigste Anwendung von Gewalt gegenüber Lehrkräften ist, meiner Beobachtung nach, die „verbale Gewalt“. Diese äußert sich in Respektlosigkeit, vor allem gegenüber der Lehrkraft als Mensch und in zweiter Linie gegenüber ihrer Rolle als Lehrkraft. Fälle von verbaler Gewalt gegenüber Lehrpersonen erfolgen nicht nur von Seiten der Schüler:innen. Verbale Gewalt ist ebenso gravierend und verletzend wie körperliche Gewalt, denn wie man so treffend sagt: „Worte können tödliche Waffen sein.“

    Vorfälle von Gewalt, ähnlich den bereits erwähnten, sind zutiefst besorgniserregend und verdeutlichen die dringende Notwendigkeit, das Thema Gewalt an Schulen ernsthaft anzugehen. Allgemein haben sich in den letzten Jahren die Klagen über die Umstände des Schulalltags seitens der Lehrkräfte gehäuft. Es ist höchste Zeit, der Realität ins Auge zu blicken und diese als solche wahrzunehmen und zu akzeptieren. Es besteht absoluter Handlungsbedarf.

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Elisabeth Garber Mi., 14.02.2024 - 23:23

Bravo, Kompliment für diesen Beitrag: inbesondere für den Mut sowohl die körperliche als a u c h die verbale Gewalt anzusprechen. Wahrscheinlich muss es noch viel brutaler zugehen, bis der Bildungsdirektion Daten vorliegen, aber bis dahin dürfte die Legislaturperiode (mit Schwerpunkt Prävention) um sein.

Mi., 14.02.2024 - 23:23 Permalink
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Josef Fulterer Do., 15.02.2024 - 06:44

Bei derartigen Vorkommnissen müsste nach der Abklärung des Tatbestandes, der sofortige Ausschluss der Schülerin / des Schülers von der Schule erfolgen + ein sozialisierungs Programm eingeleitet werden.

Do., 15.02.2024 - 06:44 Permalink
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ceteris paribus Do., 15.02.2024 - 13:49

Gut, dass Herr Daniel Betelle sich offen zum bedenklichen Vorfall äußert.

Mich würde noch interessieren: welche Maßnahmen wurden von der Lehrperson, dem Klassenrat bzw. der Schulleitung getroffen? Wie wurde der Fall aufgearbeitet? Davon hängt es ab, in welchem Ausmaß Handlungsbedarf besteht....

Do., 15.02.2024 - 13:49 Permalink
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Simonetta Lucchi Do., 15.02.2024 - 15:57

Bisogna fare attenzione a queste notizie, e alle richieste di risoluzione che spesso seguono: io lavoro da oltre trent'anni in più scuole di questa provincia, e mai ho vissuto episodi di violenza fisica nei miei confronti, di violenza verbale sì ma non da parte di studenti. Gli studenti stessi alle volte vivono una situazione a scuola e fuori difficile, da capire perché anche loro hanno da essere ascoltati. In linea di massima sono rispettosi se si ribadiscono loro principi di educazione e correttezza.
Nella nostra provincia abbiamo situazioni estremamente diverse tra scuole e scuole, quello che vale in una scuola di Casanova non vale a Bressanone o in val Badia. Gli insegnanti stessi sono meno qualificati e meno stabilizzati rispetto a anni fa, sappiamo bene della rotazione continua di supplenti, quindi con meno strumenti per affrontare loro stessi i problemi che via via si pongono. Questa provincia deve finalmente fare i conti una realtà che non è quella dei noti spot pubblicitari, ma con un mondo reale che si riflette anche nella scuola, e di un contesto "diviso" che pone le relative conseguenze da affrontare.

Do., 15.02.2024 - 15:57 Permalink