Politik | Direkte Demokratie

300 Bürger als Gefahr?

Die SVP will die Bürgerbeteiligung wieder beschneiden. “Hat die Volkspartei Angst vor der Demokratie?”, fragen sich die Grünen. Sie kündigen eine Volksabstimmung an.
Landtag
Foto: Othmar Seehauser

Für Brigitte Foppa und Magdalena Amhof war es eine Sternstunde als am 26. Juli 2018 fest stand: Südtirol hat ein neues Gesetz zur Direkten Demokratie. Nach jahrelanger Vorarbeit, hitzigen Debatten in der SVP und einer selten angeregten Diskussion im Landtag hatten 22 Abgeordnete an jenem Tag für die Verabschiedung des Amhof-Foppa-Noggler-Entwurfs gestimmt. Seit 3. Dezember 2018 ist das Gesetz in Kraft.
Doch nun stellt sich die Frage: Waren die zähen Verhandlungen, das Ringen um mehr Bürgerbeteiligung umsonst?

Denn inzwischen liegt ein neuer Gesetzentwurf vor: Die SVP will das Gesetz zur Direkten Demokratie abändern. Nach nur sieben Monaten nach der Verabschiedung – und mit einschneidenden Folgen.

 

Bürgerbeteiligung als Gefahr?

Sieben Seiten ist der Gesetzentwurf, der im Landtag aufliegt, lang. Unterzeichnet hat ihn SVP-Fraktionssprecher Gert Lanz. Neben einigen sprachlichen Anpassungen springt vor allem ein Artikel ins Auge. Mit Art. 9 soll Art. 12 des geltenden Gesetzes aufgehoben werden. Dieser sieht vor, dass über Landesgesetze, die nicht mit Zwei-Drittel-Mehrheit vom Landtag beschlossen werden, ein bestätigendes Referendum abgehalten werden kann, wenn 300 Unterschriften dafür gesammelt werden.

Im Begleitbericht zu seinem Gesetzentwurf erklärt Lanz, warum Art. 12 aus seiner Sicht bzw. der der SVP abgeschafft gehört: “Das bestätigende Referendum, das auf alle vom Landtag genehmigten Landesgesetze anwendbar ist (…), stellt eine übermäßige Belastung für das Gesetzgebungsverfahren dar und birgt die Gefahr in sich, die Arbeit des Landtages selbst lahm zu legen. 300 Bürgern die Möglichkeit einzuräumen, das Inkrafttreten jedes Gesetzes auszusetzen, scheint auch mit den Grundsätzen der partizipativen Demokratie absolut nicht im Einklang zu stehen.”

Zudem bestünden “begründete Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit” von Art. 12.

 

“Hat die SVP Angst vor der Demokratie?”

Von den Grünen kommt nun scharfe Kritik. Dass die Möglichkeit des bestätigenden Referendums aus der Welt geschafft werden soll – noch bevor der neu gewählte Landtag mit seiner gesetzgeberischen Tätigkeit überhaupt erst angefangen hat und es somit noch gar keinen Beleg für Lanz’ These gibt, sei “ein weiterer Schritt nach hinten, den diese Landesregierung macht” und ein “trauriges Signal an die Bürger”.

“Bereits während der Debatte im Landtag kam heraus, dass dem Landeshauptmann besonders Art. 12 ein Dorn im Auge zu sein schien”, erinnert sich Brigitte Foppa zurück. “Angesichts der bevorstehenden Wahlen konnte man sich allerdings nicht die Blöße geben und so ging das Gesetz damals durch. Jetzt, nach getaner Wahl, zögert man keinen Augenblick, die Bürgerbeteiligung endgültig von der Agenda zu streichen.”

“Es muss schon ein ganz wichtiges Anliegen sein, wenn die SVP gleich am Beginn der neuen Legislaturperiode – es ist gerade mal der zweite Gesetzenzwurf, den die Mehrheit eingebracht hat! – ihre Kräfte in dieses Thema legt”, schreibt Foppa gemeinsam mit ihren Landtagskollegen Riccardo Dello Sbarba und Hanspeter Staffler in einer Aussendung. Sie fragen sich: “Hat die SVP Angst vor der Demokratie? Glaubt sie wirklich, dass die Bürgerinnen und Bürger nichts anderes zu tun haben, als die Arbeit von Landtag und Landesregierung zu lähmen? Hat sie sogar Angst vor dem Volk, das mit ihren Entscheidungen nicht einverstanden sein könnte?”

Zugleich kündigen die Grünen an, das Gesetz von Lanz, sollte es vom Landtag angenommen werden, einer Volksabstimmung gemäß Art. 47 des Autonomiestatuts unterziehen zu wollen. “Die dafür notwendigen Unterschriften von mindestens sieben Landtagsabgeordneten sind schon allein durch die Grüne Fraktion, das Team Köllensperger und die Fünf Sterne Bewegung gesichert”, stellen Foppa & Co. in Aussicht. Sie finden: “Zumindest über die eigene Beteiligung sollen die BürgerInnen das Sagen haben.”

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Gerard Normand Di., 26.02.2019 - 14:23

Niemals würden die Bürgerinnen und Bürger in der Lage sein, die Arbeit des Landtags lahm zu legen. Man kann nicht wegen jedem verabschiedeten Gesetz Unterschriften sammeln und abstimmen gehen. Das bestätigende Referendum ist vielmehr ein Kontrollinstrument der Wahlberechtigten, mit dem sie die Arbeit des Landtags überwachen können. Es wäre vorteilhaft gewesen, auch über Beschlüsse der Landesregierung hinsichtlich Großprojekte abstimmen zu können. Hier, vor allem, möchte das Volk eventuell Einspruch erheben können, nicht über die tägliche Arbeit des Landtags. Das bestätigende Referendum als Kontrollinstrument würde bestimmt keinen "Abstimmungs-Tsunami" auslösen, sondern gewährleisten, dass die Gewählten endlich Gesetze im Sinne der WählerInnen verabschiedeten, und nicht nur die Interessen einflussreicher Lobbies verträten.

Di., 26.02.2019 - 14:23 Permalink
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Simon Lanzinger Di., 26.02.2019 - 18:04

Damit hat sich die SVP damals selbst ein Ei gelegt. Natürlich gehört das Gesetz wieder abgeändert.
Die direkte Demokratie klingt zwar immer schön aber in der Praxis hat man nur hohe Kosten und ein Volk dass sich mit der Thematik nicht befasst. Wenn mein Blinddarm raus muss will ich von meinem Artzt ja auch nicht nach meiner Meinung gefragt werden.

Di., 26.02.2019 - 18:04 Permalink