Politik | Nominierung

Ist sie die Richtige?

Nach einer turbulenten Nachtsitzung hat der PD Maria Elena Boschi definitiv für den Wahlkreis Bozen-Unterland nominiert. Und bekommt dafür das Sanctus der SVP-Leitung.
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Foto: dd

Update: Um vier Uhr morgens wurde es nach einer langen Nachtsitzung in Rom defintiv entschieden: Maria Elena Boschi soll für den PD im Wahlkreis Bozen-Unterland ins Rennen ziehen. Eigentlich sollte die Unterstaatssekretärin im Ministerratspräsidium bereits am Freitag Nachmittag bei einem Südtirol-Besuch die Charmeoffensive in ihrem Wahlkreis starten und die Skepsis gegenüber ihrer Kandidatur zerstreuen. Statt dessen verzögerte sich die Nominierung der KandidatInnen in der römischen PD-Zentrale letztendlich bis in die frühen Morgenstunden. „Matteo Renzi ist in einer enormen  Zwangslage, weil es für die 400 amtierenden Parlamentarier nur mehr rund 220 Plätze zu vergeben gibt“, beschrieb Karl Zeller die Lage am Freitag Nachmittag. Viele chaotische Stunden später setzte der PD-Parteichef schließlich seine Vertraute für den sicheren Südtiroler Wahlkreis durch. Seine parteiinternen Widersacher um Justizminister Andrea Orlando nahmen laut Medienberichten aus Protest gegen die fehlende Mitsprache nicht einmal an der Abstimmung teil. Renzi selbst soll für die Ein-Mann-Wahlkreise in Florenz, Umbrien und Kampanien antreten. Regierungschef Paolo Gentiloni wurde für Rom, die Marchen und Sizilien nominiert.

Ob Boschi tatsächlich die Richtige ist, also von der Südtiroler Volkspartei gemäß dem Pakt mit dem PD unterstützt wird, musste die Partei am heutigen Samstag auf einer außerordentlichen Parteileitung klären. Und bereits um 10 Uhr ließen SVP-Chef Philipp Achammer und Senator Karl Zeller über RAI Südtirol wissen, dass sie die PD-Kandidatin aus "voller Überzeugung" mittragen. Karl Zeller wurde bereits in den vergangenen Tagen nicht  müde, die PD-Kandidatin gemeinsam mit ihrem Mitstreiter für den Senat im Wahlkreis Bozen-Unterland Gianclaudio Bressa als große Verbündete für „alles, was wir für Südtirol in den letzten Jahren in Rom durchgebracht hatten“ zu loben. Dennoch bleibt die bekannte Politikerin für die SVP vor allem wegen ihres Sagers gegen die Sonderautonomien im Oktober 2014 eine problematische Wahl. Das unterstrich am Freitag auch Ex-Parteichef Siegfried Brugger: „Absolut unverständlich“ und ein „kapitaler Fehler“ sei die Unterstützung Boschis durch seine Partei, erklärte er in einem Interview mit der Nachrichtenagentur ANSA. Boschi sei auch in ihrer eigenen Partei wegen des Bankenskandals um die Banca Etruria sehr umstritten. „Es ist nachvollziehbar, dass der PD-Parteichef seine Vertraute deshalb nicht in der Toskana, sondern in einem ‚sicheren’ Wahlkreise wie Bozen-Unterland ins Rennen schickt“, sagt Brugger. „Doch es ist unverzeihlich, dass sich die SVP als seriöse Vertreterin einer sprachlichen Minderheit für solche Spiele hergibt.“

Ob diese diese Ansicht auch von einigen Mitgliedern der heutigen Parteileitung geteilt wurde, ist bislang nicht bekannt. Definitiv vom Tisch ist in jedem Fall der „last exit“ aus dem Drama, aus dem sich zuletzt noch einmal  ein weiterer Ex-Parteichef der SVP angeboten hatte. „Viele in der Partei sind unglücklich über den PD-internen Streit um die Kandidatur im Wahlkreis Bozen-Unterland“, meldete sich der aktuelle Athesia-Sprecher Elmar Pichler Rolle am Freitag zu Wort. „Sollte sich die SVP in letzter Minute doch noch für eine eigenständige Kandidatur entscheiden, wäre ich weiterhin daran interessiert, deutschsprachige und italienischsprachige Südtiroler in Rom zu vertreten.“  

Sicher ist, dass sich die Volkspartei mit Boschis Unterstützung angreifbar macht. "Volkspartei, deine Zeit ist vorbei", höhnte der Obmann des Südtiroler Heimatbundes Roland Lang am Samstag Morgen in unmittelbarer Reaktion auf die nächtliche Nominierung. "Anscheinend hat man in der SVP-Zentrale keinerlei Hemmungen, Kandidaten zu unterstützen, die sich offen für die Abschaffung unserer Autonomie ausgesprochen haben oder die Südtiroler als Italiener bezeichnen", erinnert Lang. „Prima di tutto siamo italiani“, hätte Boschi am 100. Jahrestag des Eintritts Italiens in den ersten Weltkrieg am 24. Mai 2015 dazu aufgefordert, die italienische Fahne zu hissen. "Es bleibt nun abzuwarten, was die Unterlandler noch alles bereit sind zu schlucken, oder ob sie wie so oft in der Geschichte aufmucken", schreibt Roland Lang.

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Marcus A. Sa., 27.01.2018 - 09:08

Da hat Herr Brugger Recht....
In der Theorie sollte die SVP die Vertretung einer sprachlichen Minderheit sein, in der Praxis weiß kein Mensch mehr für was die SVP effektiv steht.

Die "Zugeständnisse" die die SVP in den letzten Jahren erreichen konnte, sind das Ergebnis einer Politik alla Renzi. Eigener Machterhalt über alles. Doch wer viel gibt, der wird auch viel fordern. Der Boschi-Deal dürfte dabei eine erste Forderung sein, einige weitere werden folgen. Die SVP wird sich selbst schwächen.
Der Pakt mit dem Partito d'affari wird sich in einigen Jahren als gewaltige Fehlentscheidung erweisen. Schuld wird wie immer niemand mehr sein.

Und eine Frage die sich stellt? Mit welchen Argumenten verhindert die SVP eigentlich noch die Kandidatur von italienischsprachigen Südtirolern bei Landtagswahlen usw.? Mit keinen Argumenten, denn es gibt keine dafür.

Sa., 27.01.2018 - 09:08 Permalink
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Marcus A. Sa., 27.01.2018 - 09:30

Die SVP betreibt seit einigen Jahren eine Politik alla Merkel.
Politische Positionen sind dehnbar, veränderbar und austauschbar. Einmal links, dann rechts, dann liberal, dann wieder ein wenig konservativ. Otto-Normalwähler kennt sich nimmer aus. Wie denn auch., man hat ja keine Ahnung mehr, für was eine Partei eigentlich steht.
Die Folge? Parteien wie die AFD und Freiheitliche bieten Orientierung und gewinnen an Macht. Aber Schuld ist der Wähler und machtgeile Parteifunktionäre schimpfen auf den dummen Pöbel.
Die SVP internen Vorwahlen waren ein Witz, die Ernennung des PD-Kandidaten ein Trauerspiel. Die SVP wird ihre Rechnung präsentiert bekommen; für Südtirol ist das weniger gut.
Wird wohl nicht mehr lange dauern und wir werden eine Kopie der Liste Kurz wohl auch in Südtirol erleben. Team Philipp? Liste Arno?

Sa., 27.01.2018 - 09:30 Permalink
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Karl Trojer Sa., 27.01.2018 - 15:44

"...Parteien wie die AFD und Freiheitliche bieten Orientierung.. " , welche "Orientierung" ? Das klingt nach trumpischem Populismus pur... Und wer für unser Land noch keine autonomen Vorteile zustande gebracht hat, sollte sich hüten vor jenen zu warnen, die dies über Jahrzehnte mit viel Erfolg zuwege brachten...

Sa., 27.01.2018 - 15:44 Permalink