Gesellschaft | Prostitution

Schlepper Nepper Menschenfänger

Ein paar Gedankenschwünge vom "NGO-Wahnsinn" des Herrn Kurz zu anderen Ge-/Verschleppten.
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Foto: Rosa Luxemburg Stiftung

Es wird nebenan ein bisschen diskutiert (in Wahrheit ist manN sich einig), ob die NGOs (Nichtregierungsorganisationen, um in der Muttersprache zu bleiben), die im Mittelmeer Menschen aus den kalten Fluten klauben und sie vor dem Ertrinkungs- und anderen Toden retten, auch bestimmt und unzweifelhaft Gutes tun. Ich finde diese „Frage“ recht eigenartig, denn Menschenleben gehören jedenfalls gerettet, das weiß ja jedes Kind. Jetzt aber hat sich der Herr Kurz aus Österreich zugeschaltet, dieser „NGO-Wahnsinn“ (!) müsse aufhören. Der Gedanke, dass die Geretteten womöglich vom großen Italien in das kleine Österreich „durchgewunken“ werden könnten, bereitet ihm offenbar große Pein, weshalb er, doppelt genäht hält besser, seiner Beschimpfung auch gleich die Schließung der Brenner-Grenze hinterherkeult.

Herr Kurz ist übrigens der Außenminister des angeblichen Vaterlandes der Verwandten, die am unteren Rand der Grenze hängen, welche Herr Kurz gern wiederaufleben lassen würde, weil er so viel Angst hat, vor ein paar Geretteten aus dem Mittelmeer (diese Verwandtschaft scheint mir eine recht Kurzatmige. Nein. Ein Vaterland mit solchen Außenministern mag ich nicht). PS. Bisher wurden übrigens ca. 40.000 Menschen (!) NICHT gerettet. Die genaue Zahl ist nicht ohne weiteres ermittelbar, wird augenscheinlich kaum kommuniziert, derweil die Zahlen der Geretteten fast täglich durchgetickert werden. 40.000 Menschen, die nicht gerettet wurden und also gestorben sind. Man stelle sich nur einmal diesen Friedhof vor. Er müsste alle Einwohner Brixens fassen, zwei Mal (denken Sie mal nach, Herr Kurz, was Wahnsinn ist.)

Aber jetzt zum eigentlichen Thema.

Denn es geht, behaupten Herr Kurz und seine Follower, darum, dass die NGOs den Schleppern in die Karten spielen, derweil ihnen doch das Handwerk gelegt werden müsse, um noch mehr Tode zu vermeiden. Allein irritiert der Ansatz des Herrn Kurz, der über die Ausmerzung bzw. Einschränkung der Retter/innen-NGOs führen soll. Wie sinnvoll ist das denn? Oder hat, um nur ein Beispiel zu nennen, im Kampf gegen die Mafia schon mal jemand daran gedacht, den Opferschutz auszusetzen? Weshalb mich ohne weiteres ein (bitterböser, ich geb’s ja zu) Verdacht beschleicht, und er will mir einflüstern, es ginge in Wahrheit Herrn Kurz weniger um die Bekämpfung der Schlepper, als vielmehr darum, dass die Geschleppten. Nun ja.

An dieser Biegung verlasse ich Herrn Kurz und seine Mitstreiter im Kampf gegen das kriminelle, oft tödliche Gewerbe der Schlepper (wobei auch gesagt werden muss, dass keineswegs alle Schlepper Kriminelle sind, und sehr viele Geschleppte ihren Schleppern unendlich dankbar. Dies nur, damit das Bild, das Herr Kurz offenbar gemalt haben will, nicht gar zu schief wird.) und eile weiter zu einem anderen „Schlepper“-Gewerbe, das zwar weniger oft (direkt) Tote produziert, aber kein bisschen weniger kriminell oder verwerflich ist. Trotzdem habe ich bis heute noch keinen Außenminister und überhaupt nur ganz selten einen Mann durch die Welt brüllen hören, diesen Schleppern müsse aber jetzt das Handgewerk gelegt werden, denn es sei doch ein Wahnsinn, dass

„Laut einer Studie des Europaparlaments […] 2001, also im Jahr vor der Liberalisierung, zwischen 9.900 und 19.700 Frauen für die Arbeit in der Sexindustrie nach Deutschland gebracht [wurden]. 

Bei welcher Gelegenheit gesagt werden darf, in beiden Zusammenhängen: Die Schlepper sind natürlich, wie die Geschleppten auch, lediglich die Symptome, deren Ursachen ganz woanders liegen, nämlich dort, wo manN nicht so gern oder sehr selektiv hinschaut. Es denkt also sehr „Kurz-sichtig“ bis anbiedernd, wer da meint, die Flüchtlinge blieben zuhause, wenn nur erst die Schlepper aus der Welt wären. Und es denkt auch ziemlich scheinheilig, wer angeblich dem Schlepperwesen zu Leibe rücken will, aber nicht gleichzeitig auch die Frauen-Verschleppung zum Zwecke der Prostitution anklagt. 

Natürlich ist unklar, ob ein Verbot der Prostitution das Problem der Verschleppungen aus der Welt schaffen würde, wie eben auch die Bekämpfung der Schlepper die Flüchtlingsfrage nicht lösen wird, umso weniger, wenn man bedenkt, dass das Streben nach einem besseren Leben ein Menschenrecht und es also, meine ich, nicht einzusehen ist, dass sich dieses Streben innerhalb von Grenzen zu bewegen haben muss, über deren Existenz und Linienführung die davon betroffene Bevölkerung (!) kein Mitspracherecht hatten oder haben. Jede Grenze ist eine von absoluter Willkür, das sollten wir Südtiroler_innen (auch die vaterländischen Österreicher_innen) ja besonders gut wissen.

Ich weiß auch nicht, ob es womöglich wenig passend ist, die Flüchtlingsfrage mit dem Prostitutionsproblem so ohne weiteres zu verbinden, wenn auch, wie beschrieben, mehr als nur ein starker gemeinsamer Nenner durchaus besteht, und es ja auch unbestritten ist, dass sehr viele Flüchtlingsfrauen zum Zwecke der Prostitution nach Europa kommen bzw. geschleppt werden. Wozu ich übrigens auch noch keine Männerstimme gehört habe, die sich darüber erregt hätte, dass zum Beispiel all die fremdländischen Frauen anderer Kultur und Religion an den Straßenrändern herumstehen.

Ich werde mich jetzt auch nicht dazu versteigen, Lösungen vorzuschlagen (nur eine kleine), wenn mir auch klar scheint, dass in beiden Fällen solche nur denkbar sind, wenn manN ehrlich und offen sich an die eigene Brust klopft, wobei das in der Frage der Zwangsprostitution noch viel naheliegender und vor allem: einfacher wäre. Und manN komme mir jetzt ja nicht mit „freie Mensch/innen“, oder „Dienstleistung“, denn dann geleite ich sofort zurück, nach weiter oben im Text, zum Punkt „Menschenhandel“. Und erinnere noch einmal daran, dass „(Wahl-)Freiheit“ nur gegeben ist, wenn und wo mindestens eine gleichwertige Alternative im Angebot steht. Alles andere ist Zwang. Überdies scheint es mir schwierig bis unmöglich, zwischen „Zwang“ und „freiwillig“ klar zu trennen und zu unterscheiden, so lange wie die Frauen auf ihre Einkünfte aus Männern angewiesen sind – und letztere nicht gewillt, den weiblichen Körpern, derer sie sich bedienen, einen gewissen Wert zuzuerkennen. Freiwilligkeit fängt in diesem Zusammenhang dort an, wo das Gros der Männer, die sich pro Prostitution deklarieren und mit der „Freiwilligkeit der Dienstleistung“ aus der Bredouille reden, sich die freiwillige Dienstleistung nicht (mehr) leisten könn(t)en.

In welchem Zusammenhang ich schon früher den Gedanken eines Freier-„Patentino“ (jaja, ohne Gender-Sternchen) gedacht hatte, und der ging so: Wie beim Führerschein hätte Mann eine Prüfung abzulegen, und dabei viele kluge Fragen zu beantworten, über die Hintergründe der Prostitution, Ausbeutung, Menschenhandel, Dumping-Preise, Sklaverei, Gesundheits- und Sicherheitsfragen und dergleichen mehr, bis zum mehr oder weniger bitteren Ende. Diesen "Ermächtigungsschein" dann hätte Mann, bei erfolgreich abgelegter Prüfung, immer bei sich zu tragen, und auf Anfrage vorzuweisen - jedenfalls dann, wenn er die Dienstleistung in Anspruch zu nehmen wünscht. Wenn er das nicht kann, wird er - wie beim Autofahren (ha!) - zweitens mit einem Punkteabzug bestraft, bis, bei Wiederholungstätern, alle Punkte aufgebraucht sind. Dann ist Schluss mit lustig. (Die Freiberuflerin ihrerseits könnte die erbrachte Dienstleistung mit ihrem Stempel im Ermächtigungspass bestätigen und so das Bild vervollständigen bzw. die Sache endgültig rund machen).

So ein Freier-Führerschein wäre doch ganz einfach, höchst effektiv, und würde vermutlich alle Probleme mit einem Schlag lösen. An welchem Punkte sich der Kreis noch einmal schließt, an dessen einem Pol die (geschleppten) Flüchtlinge, am anderen die (geschleppten) Prostitutierten stehen. Und dazwischen die Männer dieser Erde.

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Sylvia Rier Mo., 03.04.2017 - 14:00

Antwort auf von Robert Tam...

ich stelle gerade fest, robert tamanini (?): wenn die argumente ausgehen, wird die un-like-maschine angeworfen. schwächlich, findest du nicht auch?!

1. Mach gern. Ich komme aber nicht mit.
2. Falsch
3. Ich bin nicht lieb (habe ich schon mal gesagt, glaube ich)
4. Falsch
4. Mach gern selbst. Aber vergiss die Push-Effekte nicht. Ich entflechte dann :-)
5. Wer aus der dunklen Ecke hinter der Ofenbank hervor ruft, und sein Gesicht sich nicht zu zeigen traut, dessen Meinung ist nur sehr bedingt "gültig", von ihrem Wert ganz zu schweigen.
Also dann, lieber Robert, hab noch einen schönen Tag!

Mo., 03.04.2017 - 14:00 Permalink
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Profil für Benutzer Robert Tam...
Robert Tam... Mo., 03.04.2017 - 15:13

Antwort auf von Sylvia Rier

Richtig, liebe Silvia: mein Nachname ist Tamanini. Das ist aber auch mehr oder weniger das einzige Richtige an Deinem letzten Kommentar.
Es ist aber auch ziemlich wurscht, wie mein Familiennamen lautet. Viel wichtiger ist es, sich mit diesem Thema wennschon ernsthaft zu befassen und nicht unausgereifte Gedanken, die auf falschen Prämissen basieren, durcheinanderzuwerfen, wie Du es es hier gemacht hast.
Um den Wert Deiner Aussagen zu diesem Thema zu steigern, wirst Du Dich künftig wohl oder übel auch mit den Daten befassen müssen, die ich Dir geliefert habe (hättest Du auch problemlos selbst recherchieren können).
Aber lustig, dass Du den Begriff „Un-Like-Maschine“verwendest und dann ausgerechnet Du sie anwirfst.
Also dann, liebe Silvia, hab einen schönen Tag und befass Dich bitte auch ernsthafter und gründlicher mit diesem Thema. Dann haben Deine Aussagen in Zukunft hoffentlich einen höherwertigen Inhalt.

Mo., 03.04.2017 - 15:13 Permalink
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Profil für Benutzer gorgias
gorgias Mo., 03.04.2017 - 15:32

Antwort auf von Sylvia Rier

Zu 5. Es ist schon erstaunlich dass Sie glauben mit Ihrem Gesicht Ihre Meinungen/Positionen aufwerten zu können, anstatt diese mit einer plausiblen und nachvollziehbaren Argumentation zu untermauern.

Wer glaubt eine Diskussion mit Schlagfertigkeit, Wendigkeit und Selbstinszenierung durch Präsenz führen zu können, wird am Ende nur Konfusion veranstalten und sich selbst nicht mehr verstehen.
Das Produkt hier ist der Trümmerhaufen einer verhunzten Diskussion, weil Sie einfach mit etwas dagegen antworten das im ersten Moment gut klingt aber sich früher oder später selbst widerspricht.

Sie haben in der Zwischenzeit nicht viel dazu gelernt.

Mo., 03.04.2017 - 15:32 Permalink