Gesellschaft | Tradition

Lukas Varesco: „Das sind wir unseren Vorfahren schuldig“

Der Herz Jesu Sonntag ist für Lukas Varesco und etwa 5.000 Schützen im Land etwas ganz Besonderes. „Wir bereiten uns viele Tage darauf vor, besinnen uns auf unsere Heimat, unseren Glauben, unser schönes Land.“

Die Vorbereitungen beginnen rechtzeitig. Eine Woche vorher werden die Trachten geputzt, die Gewehre auf Vordermann gebracht, die Gulaschdosen mit Wachs gefüllt, „die ziehen wir dann auf das Kreuz hoch, damit am Sonntag alles passt.“

Es braucht viele, die zusammenhelfen, „da fängt es ja eigentlich schon an, das Brauchtum, die Tradition“, sagt Lukas Varesco. Er ist 25 Jahre alt, „und bei den Schützen schon ewig, seit 1998, da war ich knapp neun Jahre. Seit immer also.“

Seine Stimme ist tief. Ruhig und bestimmt sagt der Unterlandler, der gerade sein Studium mit einem Notenschnitt von 1,1 abgeschlossen hat: „An diesem Tag, am Herz Jesu Sonntag, da wollen wir einfach innehalten. Wir leben in einem traumhaft schönen Land. Das war nicht immer so. Und das müssen wir uns bewusst machen.“ Er überlegt kurz und ergänzt: „Was Frieden bedeutet. Wie wertvoll das ist. Was die Alten auch geleistet haben, dass es uns so gut geht.“

Das Versprechen
Die Tradition ist dem Montaner wichtig, das Zusammensein. „Früher, da haben wir immer ein großes Holzfeuer auf der Hochalm über dem Dorf gemacht. Aber seit einigen Jahren haben wir ein Holzkreuz, das dann mit Dosen gefüllt wird.“
Von „Dank und Wertschätzung“ spricht Varesco und davon, dass an diesem Tag nicht nur eine Rückschau, sondern auch eine Vorausschau betrieben wird. „Damals haben unsere Vorfahren dem allerheiligsten Herzen Jesu unser Land gewidmet. Und diesem Versprechen wollen wir gedenken.“ Jedes Jahr, am 3. Sonntag nach Pfingsten.

Zeremonie muss sein
Das Kreuz in der Nähe von Montan, das der junge Mann gemeinsam mit seinen Freunden aus dem Schützenbund schmückt, sieht man weithin über das ganze Unterland. Wenn es brennt, am Sonntag Abend auf Südtirols Bergen. "Nicht nur die Schützen machen die Feuer", sagt Varesco, es gibt viele andere Vereine auch, viele Privatpersonen. Für uns steht an diesem Tag der Glaube im Mittelpunkt."

Die Zeremonie beginnt deshalb auch nicht erst dann, wenn es dunkel wird. „Um viertl vor sechs in der Früh treffen wir uns immer auf der alten Bahnterrasse und wecken mit unseren Böllerschüssen das Dorf.“ Nachdrücklich sagt der Schütze, der in Innsbruck und in Bologna Wirtschaftswissenschaften studiert hat: „Das ist eine ganz besondere Stimmung. Es ist noch dunkel und man sieht auf ganz Montan herunter.“

Damals gab es nicht viele Möglichkeiten mit entfernten Landsleuten zu kommunizieren. Aus diesem Grund wurden an bestimmten Gipfeln Signalfeuer entzündet, um damit den Landsturm einzuberufen. Diese Bergfeuer hatten aber auch etwas Überirdisches an sich, sodass sie anlässlich der feierlichen Begehung des Herz-Jesu-Festtages entzündet wurden. Somit traten die Herz-Jesu-Feuer, gegenüber den, bis zu diesem Zeitpunkt üblichen, Sonnwendfeuern, immer mehr in den Vordergrund. Schreibt wikipedia.it

Gemeinsamer Glauben
40 Mann- und Frauenstark ist die Montaner Schützenkompanie, Arbeitsteilung ist angesagt. "Die Mädchen richten die Blumen für die Prozession her, sechs bis sieben machen die Dosen für das Kreuz, fünf Leute gehen in der Früh um sechs pöllern während andere die Fahnen im Dorf aufhängen." Daheim, nach dem morgendlichen Weckruf, wartet die Tracht auf die Schützen. Die Prozession zur Kirche ist ein wichtiger Bestandteil des Herz Jesu Sonntags. "Die Tracht“, sagt der Snowboard- und Lesebegeisterte, „ist etwas unglaublich Wertvolles. Etwas Ehrsames, etwas Bedeutsames. Da schlüpft man auch in eine andere Rolle.“ Gemeinsam marschieren, alle Handbewegungen müssen sitzen. „Da muss alles zackig gehen, alles muss passen.“ Gemeinsam mit der Feuerwehr, der Musikkapelle, und den Montanern ziehen die Schützen in die Kirche ein, „Herz Jesu hat mit Glauben zu tun, auch mit der Dorfgemeinschaft. Und ja, natürlich auch mit Heimat.“

Die Heimat
Kritiker gibt es, das weiß Varesco, der im Schottischen Parlement ein Praktikum gemacht hat. „Sich mit etwas auseinander zu setzen ist immer gut. Aber es fehlt eigentlich die Basis bei dieser Kritik, und deshalb kann ich sie nicht nicht nachvollziehen. Es geht am Herz-Jesu-Sonntag um nichts Radikales, um nichts Provokatives. Wir sind nicht gegen etwas, sondern für etwas. Wir gedenken unseren Vorfahren, wir danken für das, was wir haben. Und wenn wir dann beim Gottesdienst das Herz-Jesu-Bundeslied singen, das ist dann sehr ergreifend.“

Es geht am Herz Jesu Sonntag um nichts Radikales, um nichts Provokatives. Wir sind nicht gegen etwas, sondern für etwas.

Brauchtum mit "an Bier"
Ein Zeichen ist es, ein „Bekenntnis“. So beschreibt Varesco den Tag im Jahr,
den Herz Jesu Sonntag, an dem hunderte Feuer die Südtiroler Bergketten einrahmen. „Ein Brauchtum, das man aufrechterhalten und weitergeben will."

Am späten Nachmittag, wenn die Tracht abgelegt wird, schlüpfen die Burschen in kurze Lederhosen und kurzes Hemd. Gemeinsam geht es dann auf die Hochalm, ausgerüstet mit Grill, Decken, einer Gitarre und einen „Spritzpanzen.“ „Jemand von der Feuerwehr ist immer dabei“, erklärt Varesco. Auch das gehört dazu. „Es ist fantastisch, wenn sich dann die ganze Dorfgemeinschaft ums Kreuz versammelt. Jung und Alt, Kinder, Dorfpolitiker, Freunde und Familie. Da wird nicht viel geredet, wir schauen auf unser schönes Land. Ins Feuer.“ Schwärmend erzählt er: „Das Unterland leuchtet rot mit den ganzen Feuern, das ist jedes Mal einfach nur faszinierend.“

Da wird nicht viel geredet, wir schauen auf unser schönes Land. Ins Feuer.“ Schwärmend erzählt er: „Das Unterland leuchtet rot mit den ganzen Feuern, das ist jedes Mal einfach nur faszinierend.“

Etwas will Varesco, der dieses Jahr nicht von der Partie sein sein wird, noch unterstreichen: „Mit einer Radikalisierung hat das gar nichts zu tun. Wir wollen unseren Kindern etwas weitergeben, einen Dank, den Glauben, die Heimatliebe. Das schulden wir.“ Besäufnis oder Fete? „Nein, das ist das überhaupt nicht. Natürlich trinken wir auch ein Bier, das gehört dazu."  Aber im Vordergrund steht ein Versprechen, das heilig ist: dem Herzen Jesu die Treue.

 

 

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klemens hacht Sa., 28.06.2014 - 12:57

friede, freude (feuer), eierkuchen, so liest sich das. schade , dass scheinbar sich wirklich niemand die mühe macht, diesen "alten" brauch inhaltlich ein bisschen näher zu analysieren, und dass man immer auf der optischen oberfläche und worthülsen alla "heimatliebe" hängen bleibt. dabei geben allein die texte der "alten patriotenlieder" schon viel diskussionsstoff und können nicht unkommentiert auf die neuzeit übertragen werden, gerade angesichts des jubiläums zum ersten weltkrieg. feuerromatik, glaube, patriotismus; drei dinge, deren brisanter (teils missbräuchlicher) zusammenhang in diesem brauchtum man wohl bewusst nicht allzu tief durchleuchten will.

Sa., 28.06.2014 - 12:57 Permalink
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Mensch Ärgerdi… Sa., 28.06.2014 - 13:38

Antwort auf von klemens hacht

Schade das so mancher, immer wieder darauf drängt einen einfachen Brauch zu analysieren um was schlechtes darin zu finden, anstatt Glaubigen und Traditionsbewussten einfach ihre Freude an der ganzen Sache zu lassen. Lieber Klemens ich weiß nicht ob es für dich üblich ist, an der Prozession bei dir im Dorf oder der Stadt teil zu nehmen, ich würde dich aber bitten es zu tun, mach mit schau es dir an und vor allem rede mit den Leuten und erläutere uns dann wer wem wie mit alten Liedern missbrauchen will...

Sa., 28.06.2014 - 13:38 Permalink
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klemens hacht Sa., 28.06.2014 - 15:36

Antwort auf von Mensch Ärgerdi…

um es vorwegzunehmen, ich habe in meinem leben dutzenden herz-jesu-feuern und auch einigen prozessionen beigewohnt. somit verstehe ich den charme solcher bräuche und die teils liebevolle pflege solcher traditionen.

NUR allein dabei bleibt es ja schon lange nicht mehr und spätestens seit den brennenden, polit-aggressiven botschaften auf den talhängen darf man sich fragen: steckt hinter dem brauch wirklich ein friedlicher und religiöser geist oder steckt da eine philosophie dahinter, die früher in krisenzeiten historisch gewachsen, heute aber als patriotisches bollwerk missbraucht oder wiedererschaffen wird, beigemengt mit haltungen aus dem 19. jahrhundert, welche die wegbereiter für die zwei weltkriege waren?
die texte der alten patriotischen lieder sprechen dazu auch eine klare sprache: das sind kriegslieder, teilweise schwülstige kriegsromatik gehoben auf eine nationalistische ebene. jeder, der diese texte zu herzen nimmt, teilt diese haltung und damit bin ich schon beim hauptproblem:
wenn ich das kampfpatriotische auch noch mit dem glauben verbinde, kriege ich das dumpfe gefühl, südtirol(tirol) ist die einzige region europas, in der eine einvernehmende haltung zelebriert wird, die nach extrem-islamistischer art glaube und patriotismus zu einer kampfstrategie erhebt.
das sage ich jetzt bewusst so überzeichnet, weil immer mehr zu beobachten ist, wie sich in südtirol unter jungen leuten ein breiter, aggressiver, gefährlicher patriotismus und nationalismus breit macht, der kaum von vereinen und parteien thematisiert wird und der eben immer mehr auch kulturelle institutionen infiltriert und eben auch diesen brauch, weil er eben inhaltlich perfekt wechselwirkt.

es ist eben NICHT nur ein einfacher, liebevoller, alter friedensbrauch und, entweder man diskutiert auch über die schattenseiten des brauches, um eventuell endlich auch korrekturen vorzunehmen oder man muss damit leben, dass dieser brauch für nicht wenige eher langsam zum unfriedens-signal wird, wenn in der abendämmerung martialische sprüche in der landschaft erscheinen.

Sa., 28.06.2014 - 15:36 Permalink
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Mensch Ärgerdi… Sa., 28.06.2014 - 16:03

Antwort auf von klemens hacht

und glaubst der Interviewte im Artikel ist einer von denen die polit aggressive Botschaften entzündet? Er spricht doch von einem Kreuz. Idioten die Traditionen zu instrumentalisieren versuchen wird es immer geben, aber die große Mehrheit der Leute die bei der Prozession mitgehen oder an einem Kreuz oder Feuer vorbeischauen, sind doch keine gewaltverherrlichenden Kriegstreiber. Ich finde einfach diese Grundhaltung zum Thema falsch. Diese Verdachtsmentaliät bei der immer und überall wo es um Tradition geht gleich nach Nationalisten oder Spuren des Nationalismus gesucht wird (und überall rein interpretiert wird) beleidigt einfach die angesprochene große Mehrheit die immer in diesen Licht gerückt wird.
Also ich gebe dir vollkommen Recht "es ist eben NICHT nur ein einfacher, liebevoller, alter friedensbrauch", die Schattenseiten gab es immer und es wird sie auch immer geben und man soll auch über diese sprechen können, aber die Haltung zum ganzen Thema sollte doch positiv sein. Wenn so ein junger man wie im Artikel von sein Herz Jesu Erlebnis erzählt, willst du sagen können er ist Träger von einen aggressiven und gefährlichen Patriotismus, oder ist er nicht viel mehr ein positives Beispiel dafür wie Tradition auch im 21. Jahrhundert weiter gelebt wird?

Sa., 28.06.2014 - 16:03 Permalink
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klemens hacht Sa., 28.06.2014 - 16:58

Antwort auf von Mensch Ärgerdi…

ich unterstelle weder allgemein den teilnehmern solcher bräuche, noch dem herren oben "agressiven nationalismus" und finde es interressant, dass sie die kernstellen in meiner kritik immer völlig ausblenden, was für mich bedeutet, ihre sicht deckt sich verdeckt mit meiner meinung oder sie sehen in diesen bräuchen nur einfache folklore oder ein hobby.
deshalb einfach meine frage: was empfinden sie, wenn sie unter vielen kleinen feuerchen den gigantischen schriftzug "ein tirol" oder "los von rom" sehen, mit all der realpolitischen, unfriedlichen bedeutung? und wie ist es da noch möglich, einen solchen brauch positiv zu sehen, wenn er mit so einer leichtigkeit und ohne grössere aufregung von radikalen vereinnahmt werden kann...und weil eben auch leute so wie sie die bräuche und traditionen, mitunter auch zurecht, verteidigen, aber überhaupt nicht über form und inhalt von bräuchen sprechen wollen, womit sie sie zur reiner folklore erheben?

Sa., 28.06.2014 - 16:58 Permalink
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Mensch Ärgerdi… Sa., 28.06.2014 - 17:13

Antwort auf von klemens hacht

Solche Schriften gibt es eben im Raum Bozen Unterland nicht, mindestens habe ich noch keine gesehen. Sollte ich eine sehen, dann würde ich mir denken dass dort eben die eben sitzen die solch eine politische Einstellung haben aber das bedeutet doch nicht dass alle die an anderen Feuern teilnehmen die gleiche Gesinnung haben. Ich halte auch nicht jeden Menschen der ins Stadion geht für einen Hooligan, das bedeutet ja nicht dass ich deren Existenz bestreite. Würdest du Fußball verbieten weil es Idioten gibt die sich das Stadion aussuchen um ihren Aggressionen freien Lauf zu lassen? Oder weil es viel zu oft für ihnen ein leichtes ist, die Gegend um das Stadium herum zu verwüsten? Würdest du nicht Fußball in erster Linie positiv als Spiel und sportliche Tätigkeit betrachten bevor du über Hooligans nachdenkst? Das mein ich eben mit Grundeinstellung.

Sa., 28.06.2014 - 17:13 Permalink
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klemens hacht So., 29.06.2014 - 17:23

Antwort auf von Mensch Ärgerdi…

auch hier, meine kritik richtet sich nicht an den randphänomenen, sondern wirklich an der grundsubstanz des herz-jesu-festes, das eben leicht zu chauvinistischen, patriotischen haltungen führen kann, weshalb die vereinnahmung durch radikale bewegungen ein leichtes ist. das grundproblem liegt vorallem in der unglücklichen verbindung zwischen "glauben" und "nationalem denken", in der abgrenzung von den guten und den bösen menschen (feinden tirols) und die religiöse, fast mysthische festigung dieser abgrenzungen. das herz-jesu-lied ist der hammer und man sollte endlich mal PRÄZISE über den inhalt diskutieren. denn darin liegt die essenz aller ambivalenzen dieses brauches.

So., 29.06.2014 - 17:23 Permalink
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Mensch Ärgerdi… So., 29.06.2014 - 18:59

Antwort auf von klemens hacht

Dann erwarte ich gespannt deinen Artikel in dem du präzise über den Inhalt und dessen Auslegung berichten wirst. Wie du aber selbst zu gibst kann (!) die Grundsubsatnz leicht zu dies oder jenen führen, was ganz was anderes bedeutet dass sie so ist! Ein Glas Wein oder eine Flasche Bier kann (!) zu Alkoholsucht führen, ein Joint kann (!) die Hemmschwelle zu härteren Drogen brechen, der Umgang mit den "falschen" Leuten, kann einem auf die Schiefe Bahn bringen. Alles Sachen (die eine mehr die andere weniger), die schon in der Wurzel Gefahren aufweisen auf die auch Aufmerksam gemacht werden kann bzw. sollte. Aber in den Dingen auf Anhieb auf das eventuell negative oder gefährliche zu zeigen, scheint mir eben falsch. Die ganze Diskussion bekommt da schon von Anfang an einen bitteren Beigeschmack der schon fast zwangsläufig anklagend wirkt. Natürlich kann man im Nachhinein erklären dass man es nicht anklagend gemeint hat, aber man ist halt schon eben mit den falschen Fuß gestartet.

So., 29.06.2014 - 18:59 Permalink
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Benno Kusstatscher Sa., 28.06.2014 - 17:48

Antwort auf von klemens hacht

Wie so viele unserer Traditionen werden halt auch die Herz-Jesu-Feuer für Lagerkämpfe auf beiden Seiten missbraucht. Alle, die Herz und Hand zum Himmel heben werden, sollen sich der komplexen Problematik bewusst sein und entsprechend verantwortungsvoll damit umgehen. Wofür mein Feuer brennen wird, lasse ich mir von niemanden uminterpretieren, nicht von den Schützen, nicht von Italienhassern und schon gar nicht von politischen Parteien. Wer versucht, all die individuellen Feuer für ein obstruses, nicht existentes Kollektiv zu vereinnahmen, ist welcher, der der Tradition schadet und nicht derjenige, der sich dabei zu fürchten beginnt. Ich versteh mein einfaches Holzfeuer als wohltuenden Kontrast zu fraglichen Ölpundelkunstwerken ob jetzt mit oder ohne politischen Botschaften. Wie jedes Jahr werde ich darüber sinnieren, wie vielfältig, persönlich und privat die einzelnen Feuer wohl sind, wissend, dass bei gar einigen Gedankengut herrscht, das Jesu Herz schäbigst beleidgt. Eine gute Gelegenheit, das eigene Identitätsgefühl wiederholt zu hinterfragen und erneut zu erden. Weil es Not tut.

Sa., 28.06.2014 - 17:48 Permalink
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klemens hacht So., 29.06.2014 - 17:09

Antwort auf von Benno Kusstatscher

das klingt versöhnlich schön. ich finde es immer sehr interressant, wenn traditionen und bräuche erweitert, umkodiert, individualisert werden. genauso entsteht kulturgeschichte oder ein grundstock für neue bräuche und rituale. allerdings meine kritik richtete sich nicht an den interpretationen des festes, sondern an der grundsubstanz des jetzigen herz-jesu-festes, dessen sukkus ja das herz-jesu-lied umschreibt und dessen inhaltlich propagierende haltung tür und tor zum chauvinistischen, selbstergötzendem, patriotischen missbrauch öffnet. eine richtung, die auch nicht mit christlichen grundwerten zu vereinen ist.

So., 29.06.2014 - 17:09 Permalink
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Benno Kusstatscher Mo., 30.06.2014 - 08:48

Antwort auf von klemens hacht

Wir kennen die Feuer aus Nord- und Osttirol, auch aus dem Trentino. Ich selber bin zum ersten August mit Eidgenossen auf Engadiner Gipfel gestiegen, um dort zu feuern. Letztes Jahr zu Ferro Agosto habe ich im Valbelluna all die autonomieschwangeren Bergfeuer gesehen. Was diese Feuer gemeinsam haben, wie schuldig oder unschuldig sie sind, soll zu Recht diskutiert werden. Nur, was denn "Grundausrichtung" sei und wo Umdeutung beginnt, ist so einfach nicht, wie Du sagst.

Mo., 30.06.2014 - 08:48 Permalink
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Christian Mair Sa., 28.06.2014 - 15:10

Wikipedia:
"Der Brauch, im Juni Feuer zu entzünden, geht auf frühere Sonnwendfeuer bzw. Johannisfeuer zurück, die dann in Erinnerung an das Herz-Jesu-Gelöbnis von 1796 umgedeutet wurden."

Diese Umdeutung ist/war ein Sammelbecken reaktionärer, religiös-katholischer, deutsch-nationaler Strömungen und eine Aufarbeiten/Bewusstmachen dieser Tendenzen ist notwendig.
Brauchtum und Heimat sind Begriffe die man davon trennen sollte und an denen nicht notwendig "Stallgeruch" und "Rückwärtsgewandtheit" haftet.

Sa., 28.06.2014 - 15:10 Permalink
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gorgias Mo., 30.06.2014 - 00:09

Antwort auf von Harald Knoflach

Ja ja das Landlibell, aber dann in den nächsten Jahrhunderten sind die progressiven Entwicklungen in Tirol auch ein bischen stagniert. Nicht zuletzt auch mit unserem konterrevolutionären Jesus-Andereas-Hofer-Christus und seiner Leidensgeschichte in Mantua zu Bande. Und heute lassen wir uns bei gesellschaftlichen Entwicklungen gegenüber den Rest Mitteleuropas so ca. 10 - 15 Jahre Zeit ---- Aber dafür ist das alles so identitätsstiftend . . .

Mo., 30.06.2014 - 00:09 Permalink
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klemens hacht So., 29.06.2014 - 16:31

ich lese schon wieder so grosse begriffe wie "freiheit", "heimatliebe", "patriotismus" und den für mich inflationären versuch, vergangene, geschichtliche begebenheiten in eine jetztzeit zu heben. den süd(tirolern) muss endlich mal klar werden, dass ihre kulturelle geschichte als "zwischenland in den alpen" primär geprägt ist von militärischen, geoadministrativen verwerfungen und klerikalen territoriumsabgrenzungen und dass das wohl eine art gefängnis für ihr "denken" geformt hat, denn kulturbildung, welche die (unsere) moderne und neuzeit bestimmen, fanden ganz irgendwo anders statt. dass heisst, ich kann nicht ausgehend von einem weitgehend militärischem dokument über ein abgestecktes, kleines gebiet, diskurse über freiheit und heimatliebe für das 21. jahrhundert spinnen, es sei denn man grenzt diesen freiheitsbegriff stark ein, in seiner stärksten form in das korsett der nationalistischen freiheitsbewegungen des 19. jahrhunderts. wo diese geendet bzw. welche philosophische tiefe die hatten sollten wir zum eigenschutz alle wissen. ich bin sehr erstaunt (oder nachdem ich hier aufgewachsen auch wieder nicht), dass man hier sämtliche gedankenmuster immer subtil oder auch ganz offen einem territorialdenken unterordnet bis hin zur religiösen komponente, deren ausdruck das herz-jesu-fest auch ist. freiheit und heimatliebe muss aber eine humanistische und moderne grundlage haben und kein aufsatz zu politischen territorial-regelungen aus dem spätmittelalter, in denen der einzelne mensch in sämtlichen lebensbereichen IMMER EINER DIKTIERENDEN (NATIONS)GEMEINSCHAFT untergeordnet wird. zur umschreibung des freiheitsbegriff sind wir mit den heutigen menschenrechtsgesetzen meilensteine weiter. ausserdem, "heimatliebe" ist ein sehr individueller, persönlicher begriff und kann keinesfalls von irgendwelche festen, von den schützen oder nationalistischen philosophien vereinahmt werden.

So., 29.06.2014 - 16:31 Permalink
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gorgias Mo., 30.06.2014 - 00:12

Unsere Vorfahren haben dem allerheiligsten Herzen Jesu unser Land gewidmet? Ja was interessieren mich die Einbildungen von Männern die vor ein paar hundert Jahren gelebt haben?

Mo., 30.06.2014 - 00:12 Permalink
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Christian Mair Mi., 02.07.2014 - 17:04

Gott will kein Herz Jesu Feuer

Der Brauch der Herz-Jesu- Feuer ist die unrühmliche Verbindung von Religion mit nationalem Denken. Es dient als Teil der Identitätsstiftung in Form von Abgrenzung des
Territoriums (der Heimat), der Sprache, des Glaubens und eines Kriegsgegners, der den Fortbestand dieses Zustandes bedroht (Freiheit).
Dieser Missbrauch beginnt im Jahre 1796 mit der Idee das Land dem "heiligen Herzen Jesu" anzuvertrauen und so göttlichen Beistand zu erhalten.
Als Zeichen von grosser Gottesfurcht und Autoritätengläubigkeit schafften es die Tiroler diese Erfindung für über 200 Jahre aufrecht zu erhalten und Erinnerung, Gedenken und Stolz der Volksseele darauf zu konzentrieren.
Dabei reicht es nicht im Sinne eines Herz- Jesu- Proporzes (Vorschlag von Bischof Muser) die Autonomie auf die Bergfeuer auszuweiten. Vielmehr gilt es die Bandbreite der historischen Erinnerungskultur zu erweitern und auch neue "Helden" als Vorbilder zu definieren. (Tiroler Landlibell, Magna Carta des Landes Tirol, Aufstand der Tiroler Bauern unter Michael Gaismair, die Täufer, die Hutterer, Aufarbeitung der NS Zeit z.B. Fluchthilfe für Nazis (http://www.welt.de/geschichte/zweiter-weltkrieg/article124863191/Flucht…) ......
Wir brauchen gebildete und selbstkritische Menschen welche mit Hilfe einer humanistischen und modernen demokratischen Grundlage (Meinungs,-Religions, - und Redefreiheit, Gewaltenteilung, Trennung von Staat und Kirche, Transparenz...) in einen Dialog untereinander und den Nachbarn treten können und so den Verlockungen von Überheblichkeit, Nabelschau, Phantomschmerz der Landestrennung zu entgehen.
Vielleicht gelingt es im Jahre 2015 den Brauch in diesem Sinne umzudeuten und neu zu kodieren, ganz in der Tradition von 1796.

In diesem Sinne: "Mia sein mia und Ihr nicht"

Mi., 02.07.2014 - 17:04 Permalink