Wirtschaft | Tempolimit

"Uns wird das Leben schwer gemacht"

Die Handelskammer warnt vor den wirtschaftlichen Schäden durch Tempo 90 auf der Brennerautobahn. Michl Ebner: "Finanzielle Anreize für Fuhrpark-Erneuerung statt Limits."

Der Südtiroler Handelskammer stößt das Tempolimit 90 auf der Brennerautobahn sauer auf. Anfang der Woche hatte Transportminister Graziano Delrio die Einführung der Geschwindigkeitsbegrenzung von 90 km/h bei Übertretung der Schadstoff-Grenzwerte genehmigt. Nun folgt der Protest der Wirtschaftstreibenden im Land. “Diese Maßnahme trifft vor allem die Südtiroler Wirtschaft schwer, und die der umliegenden Länder. Sie schränkt die Mobilität stark ein, führt zu Zeitverlusten und damit zu erhöhten Kosten”, befürchtet die Handelskammer. Gemeinsam mit den Kammern von Tirol und dem Trentino plädiere man vielmehr für eine einheitliche Lösung des Schadstoffproblems in der gesamten Euregio.

“Den Wirtschaftstreibenden in der Euregio wird zurzeit das Leben schwer gemacht”, schreibt die Handelskammer in einer Presseaussendung. Darunter mit Maßnahmen wie dem Tempo 100 für Pkws in Tirol, dem geplanten sektoralen Fahrverbot und der Einführung von Tempo 90 auf dem Südtiroler Abschnitt der Brennerautobahn, wenn die Luftgrenzwerte überschritten werden. “Vor allem die Tempolimits führen zu einer Verlangsamung des Verkehrs. Die Pkw-FahrerInnen werden auf der Strecke von Kufstein bis Ala/Avio, abgesehen von den Baustellen, mittlerweile mit vier verschiedenen Geschwindigkeitsbeschränkungen konfrontiert und zwar Tempo 90, 100, 110 und 130.” Das führe zu großer Verwirrung, aber nicht zu mehr Sicherheit, ist man in der Handelskammer überzeugt.

Mit angemessenen finanziellen Anreizen kann eine Flottenerneuerung beschleunigt werden, welche die Schadstoffbelastung in einem höheren Maße reduzieren könnte, als die vielen Tempolimits und das ohne die lokale Wirtschaft zu schwächen. (Michl Ebner, Präsident der Handelskammer Bozen)

Erst vor Kurzem hätten die drei Kammern der Euregio bei einem Treffen geschlossen gegen Tempolimits ausgesprochen, teilt man mit. Dabei seien Vorschläge präsentiert worden, welche einerseits die Schadstoffbelastung reduzieren und andererseits auch die Bedürfnisse der Wirtschaft berücksichtigen. Die Handelskammer erklärt, worauf es ankomme: “Etwa die Erneuerung des Fuhrparks. In der Vergangenheit hat sich gezeigt, dass die Schadstoffbelastung mit moderneren Lkws und Pkws sinkt. Damit kann die Sinnhaftigkeit von Verboten in Frage gestellt werden. Zusätzlich ist für die Euregio eine Harmonisierung des Luftmessnetzes und der Werte auf der Strecke von Kufstein bis Ala/Avio wichtig, um angemessene Lösungen für die Luftreinhaltung zu erreichen.”

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Norbert . Fr., 09.10.2015 - 10:49

Europaweit gilt für LKW 80 kmh ... Herr Ebner, reden Sie keinen Müll, es gibt keine Wirtschaftlichen Schäden!
Es geht nur um ihre Profilierungssucht.
Abgesehen davon bin ich aber auch gegen die Begrenzung. Diese ist wieder nur eine Alibi-Aktion von Politiker! Denn ändern wird sich NICHTS, gar NICHTS!

Fr., 09.10.2015 - 10:49 Permalink
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Martin B. Fr., 09.10.2015 - 11:16

Ich dachte die Wirtschaft nutzt LKW's? Oder geht es um die Fahrzeuge welche mit alten Diesel-Lieferwagen, schlechten Reifen usw. nie unter 150 km/h unterwegs sind? Bei Tempo 90 werden wohl viele Staatsstraße fahren, viel langsamer ist man da auch nicht. Bin nicht überzeugt von dieser Aktion: unter 100 km/h scheint eine Autobahn bzw. Mautzahlen nicht mehr gerechtfertigt.

Fr., 09.10.2015 - 11:16 Permalink
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Mensch Ärgerdi… Fr., 09.10.2015 - 11:28

Wer aus Umweltgründen für Tempo 90 auf der Autobahn ist, der ist einfach nur dumm, denn die Autos sind das kleinste Problem. Die Brennermaut soll endlich mit dem Gotthardtunnel gleichgezogen werden und wir sparen uns eine Menge Fernverkehr der über uns einen billigen Umweg fährt. Den BBT bräuchten wir dann auch nicht mehr.
Den Grünen und allen anderen Möchtegernökos geht es ja nur darum Autofahrern ein auszuwischen.

Fr., 09.10.2015 - 11:28 Permalink
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Christoph Moar Fr., 09.10.2015 - 11:59

Ja, uns wird auch das Leben schwer gemacht. Durch Gift und Lärm von der Autobahn werden Kindern und Senioren entlang der A22 Lebensqualität und Lebensjahre gestohlen. Einfach mal mit einem Arzt reden!

In der Replik der Handelskammer, der Europaparlementarier, der Bürgermeister, der Kommentatoren das übliche Bullshit-Bingo:

1) Tempo 100 bringt nur Stau und damit erhöhte Grenzwerte
Münchhausen-Check: Man sollte, als Politiker, weniger seinem Bauchgefühl oder den Lobbyisten, und mehr den Experten vertrauen. Ganze Lehrstühle und Wissenschaftler gibt es zu Verkehrswesen, und es ist eine jahrzehntelange bekannte Regel, dass die Kapazität einer pkw/lkw Verkehrsstrecke bei Tempo 80 am höchsten ist. Glaubt ihr, die Verkehrsplaner sind alles Pfeifen und es ist reiner Zufall, dass europaweit die am stärksten befahrenen Strecken mit genau dieser Geschwindigkeitsbegrenzung belastet werden, um die höchste Kapazität zu erzielen?

2) Tempo 100 bringt keine NOx oder sonstige Schadstoffreduktionen
Münchhausen-Check: Wie schade dass das Bundesland Tirol in einer wissenschaftlichen Studie (hier der Abstract: https://www.tirol.gv.at/fileadmin/themen/umwelt/umweltrecht/Luftseiten/…) genau das Gegenteil beweist. Wer zu faul ist, das ganze zu lesen, kann auch nur das hier anschauen (http://postimg.org/image/qde8hy8pv/).
Die Ergebnisse sind da, und sie sind sofort und nachweislich messbar. Tempo 100 würde sofort eine Entlastung für die Bevölkerung bringen, und nicht erst in 20-30 Jahren, wenn der liebe BBT bereit steht und in wundersamer Weise den LKW/PKW Verkehr auffrisst.

3) Wir haben eh schon Tempo 110, das reicht schon
Münchhausen-Check: Zwischen Sterzing und Bozen werden keine Geschwindigkeitsmessungen gemacht. Die Durchschnittsgeschwindigkeit der Fahrzeuge könnt ihr gerne selbst messen, unter 130 werdet ihr niemand antreffen.

4) Wer aus Umweltgründen für Tempo 90 auf der Autobahn ist, der ist einfach nur dumm, denn die Autos sind das kleinste Problem.
Münchhausen-Check: Die Umweltgifte Schadstoffe und Lärm sind bei Tempo100 geringer als bei Tempo130. Die Gesundheit der Anwohner entlang der Hauptverkehrsstrecken schützen zu wollen, hat nichts mit Dummheit zu tun.

5) Die Brennermaut soll endlich mit dem Gotthardtunnel gleichgezogen werden und wir sparen uns eine Menge Fernverkehr der über uns einen billigen Umweg fährt.
Münchhausen-Check: absolut richtig. Jegliche Forderung nach einer solchen Maßnahme wird seit Jahrzehnten abgewiesen, und das Leiden der Bevölkerung auf den St-Nimmerleinstag verschoben, wenn der BBT seine Pforten öffnet. Maßnahmen, die mit wenig Aufwand und kurzfristig zu einer (egal wie geringen) Entlastung führen würden abzulehnen, nur weil eine andere Maßnahme viel effektiver wäre, ohne dabei die Umsetzbarkeit der einen Maßnahme mit der anderen zu vergleichen ist nicht klug.

Ich sehe in der kleinen Maßnahme Speedcontrol (von den Freiheitlichen verhasst, sie wünschen ja privacy und freie Geschwindkeitsübertretung für freie Bürger) einen sofortigen und realistischen Benefit für die leidende Bevölkerung.

In der Brennermautangleichung sehe ich die ideale Maßnahme. Angesichts der Lobbies und Politiker, die dagegen halten, sehe ich seit Jahrzehnten nur noch Schwarz, was das erreichen dieses Idealziels angeht.

Fr., 09.10.2015 - 11:59 Permalink
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Mensch Ärgerdi… Fr., 09.10.2015 - 12:38

Antwort auf von Christoph Moar

"Die Umweltgifte Schadstoffe und Lärm sind bei Tempo100 geringer als bei Tempo130. Die Gesundheit der Anwohner entlang der Hauptverkehrsstrecken schützen zu wollen, hat nichts mit Dummheit zu tun."
Die von dir geteilte Evaluation bestätigt meine Annahme, im besten Fall eine Reduzierung von 8 µg/m3? Ist das Ausschlaggebend?
Verstehst du nicht dass er Hauptanteil der Verkehrsteilnehmer auf der Autobahn die LKW sind die sowieso von der Norm nicht getroffen werden? Dann kann man gleich auch Tempo 80 und die Belastung bleibt immer die gleiche. Wie Norbert schreibt, hier wollen Politiker nur ein Alibi schaffen damit sie gut dastehen. Der gleiche Schwachsinn wird in den Städten mit Verkehrsverboten jeden Winter wiederholt, wobei offensichtlich ist dass der Großteil der Luftbelastung von Heizungen entspringt und die Grünen sind dann noch überschlau und stellen sich hinter den bozner Müllverbrennungsofen!

Fr., 09.10.2015 - 12:38 Permalink
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Christoph Moar Fr., 09.10.2015 - 15:39

Antwort auf von Mensch Ärgerdi…

"Verstehst du nicht dass er Hauptanteil der Verkehrsteilnehmer auf der Autobahn die LKW sind die sowieso von der Norm nicht getroffen werden?"

Doch, das weiss ich sehr wohl ich. Und doch übersiehst du, dass der Lärmpegel (wenn du achtest, schreibe ich stets von Umweltgiften und Lärm) bei Tempo 100 statt Tempo 130+x massiv sinkt. Und selbst die für dich unscheinbare absolute Zahl von 8µg entspricht für mich mehr als 10% des Schadstoffausstosses. Das ist ein Anfang, lieber MenschÄrgerDichNicht, den viele betroffene Bürgerinnen nur allzu gerne sofort hätten.

Selbstverständlich gilt für mich die Hauptmaßnahme: massive Mauterhöhung und damit Vermeidung des unsinnigen Umwegverkehrs. Kostenwahrheit im Transport, Einbau der externalisierten Kosten. Aber das, lieber MenschÄrgereDichNicht, das kriegen wir nicht, zumindest wird darum seit Jahrzehnten erfolglos gekämpft.

Die Tempobegrenzung und noch viel wichtiger: Tempokontrolle wird uns hingegen seit Jahren immer wieder als plausible und sofortige Entlastungsmaßnahme aufgezeigt. In meinen letzten Jahren in der Gemeindepolitik haben wir zu dieser Forderung positive Rückmeldungen allein schon von Pardatscher und Costa (A22), Pichler (Amt für Luft und Lärm), Landeshauptmann, Landtag erhalten. Alle haben den Wunsch der Anrainergemeinden verstanden nach einer minimalen Verbesserung der Luft- und Lärmbelastung durch Einhaltung von Geschwindigkeitsbegrenzungen. Und dann kommen ein Europaparlamentarier und eine Wirtschaftslobby und wollen uns und der wissenschaftlichen Community der Verkehrsplaner Weltuntergangsszenarien glauben machen dass Staus und Zeitverlust unsere gesamte Wirtschaftsleistung darnieder bringen werden. Das ist doch lächerlich.

Falls du mal ein paar Tage den Lärm an der Hauptverkehrsstrecke zuhören solltest, der sich über das gesamte Tal bis hoch auf den Hängen fortpflanzt, dann bist du um jede Einhaltung der Geschwindigkeit dankbar. Und genau das tun unserer Bürgerinnen und Bürger: wir verlangen die Einführung von Tutor Systemen um mindestens das heutige Tempo 110 einzuhalten. Und wenn ihr dabei noch auf 100 geht bedanken sich Hunderttausend Anwohner entlang der Strecken. Das sollte es wert sein. Aber manche Politiker scheren sich nicht drum, denen ist Privacy und freie Geschwindigkeitsübertretung wichtiger als die Gesundheit von Kindern, Familien und Senioren.

Bitte beachte, dass die Messwerte die vorgegebenen Grenzwerte in Klausen und im gesamten Eisacktal teils massiv überschreiten, und die EU - Kommission die Mitgliedsländer verpflichtet, die vorgeschrieben Grenzwerte einzuhalten. Es sollte rechtlich nicht schwer sein, entsprechende Anträge und Maßnahmen durchzusetzen: Wie einige vielleicht wissen, hat das europäische Gericht festgestellt, dass das Recht auf Gesundheit Vorrecht vor dem freien Warenverkehr hat.

Ab dem Jahr 2015, spätestens aber ab 2016 wird die EU-Kommission bei Grenzwertüberschreitungen Millionenstrafen verhängen. Diese Millionenstrafen werden von den Regionen, in unserem Fall wahrscheinlich von der Autonomen Provinz Bozen bezahlt! Ich denke darüber herrscht im Landtag, aber auch im Gemeinderat, Einigkeit, dass wir diese Strafen nicht bezahlen wollen.

Grundsätzlich gilt, dass Luft und Lärm in unterschiedlichen Gesetzen und Richtlinien normiert sind, die Probleme und Verursacher sind aber dieselben, und auch die Maßnahmen sind sich teilweise ähnlich, weshalb man immer beide Auswirkungen einer Maßnahme betrachten muss! Und wir Anwohner von den belasteten Strecken sind es stuff, dass uns sogar die kleinen ersten Schritte verwehrt werden, weil sowieso die richtige Lösung eine andere wäre. Was ist das für ein Argument?

Fr., 09.10.2015 - 15:39 Permalink
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Benno Kusstatscher Fr., 09.10.2015 - 17:59

In einem Punkt möchte ich dem Herrn Ebner Recht geben: eine Harmoniserung der Geschwindigkeitsbegrenzung auf der Brennerautobahn (also wenigstens bis Innsbruck) wäre echt wünschenwert. Schade, dass die Herren der Handelskammern sich noch nie Gedanken über die Harmonisierung des Mautsystems Gedanken gemacht haben. Schließlich sind sie auch Eigner der A22.

Auch ist die Frage berechtigt, was ein 90km/h-Limit bringen soll, wenn selbst die 110km/h nicht kontrolliert werden und man sich selbst 130km/h noch als ein Verkehrshindernis fühlt.

Fr., 09.10.2015 - 17:59 Permalink