Politica | Mobilität

Verstandener Widerstand

Am Salten ist man sich uneins über den Ausbau der Jenesiener Seilbahn. Die Opposition will ein Projekt "mit Hand und Fuß". Kompatscher: "Weitere Schritte nur gemeinsam."

Sie ist derzeit Thema im Bozner Wahlkampf, Gegenstand von Bürgerversammlungen und Beschlussanträgen im Landtag, und kommt auch bei der Pressekonferenz des Landeshauptmanns auf den Tisch: die neue Jenesiener Seilbahn. Seit die Landesregierung am 22. Dezember 2015 den Beschluss gefasst hat, eine neue Talstation in der Nähe des Siegesplatzes in Bozen in Angriff zu nehmen, sind viele Stimmen laut geworden. Der Großteil davon sieht die vorgeschlagene neue Trassenführung entlang der Talferwiesen kritisch. So haben auch vergangenen Freitag im Grieser Kulturheim die Skeptiker und Gegner des Seilbahn-Ausbaus überwogen.


Die Bürger gehört

Am Abend hatte das Bürgerkomitee “Initiative Talferwiesen-St. Anton” eine Diskussionsveranstaltung organisiert, bei der 456 Zustimmungserklärungen gegen die Erbauung der Seilbahn auf den Talferwiesen samt mehreren über 30 Meter hohen Stützpfeilern. Die Promotoren sprechen von einem “gelungenen Abend”. Auf den ein vermutlich ebenso zufrieden stellendes Treffen am Montag gefolgt ist. Vertreter des Komitees trafen gestern mit Mobilitätslandesrat Florian Mussner zusammen. Dieser versicherte, dass die Pläne für den Ausbau der Seilbahn bis auf weiteres ausgesetzt worden seien, weil man gespürt habe, “dass die Bevölkerung dieses Vorhaben nicht will”.

“Selbstverständlich wurde inzwischen jeder weitere Schritt ausgesetzt”, unterstrich auch Landeshauptmann Arno Kompatscher am Dienstag vor versammelter Presse. Er legte Wert darauf, festzuhalten, dass bisher nur eine Entscheidung in Sachen neue Seilbahn gefallen sei, “nämlich zu untersuchen, ob die Anbindung durch die Errichtung einer neuen Talstation verbessert werden könnte”. Bislang gebe es weder ein Ausführungsprojekt noch eine Kostenaufstellung oder Finanzierung, so der Landeshauptmann. “Sondern einzig eine 3D-Darstellung.” Und jeder weitere Schritt werde “nur im Einvernehmen mit dem neuen Bozner Stadt- und Gemeinderat” gemacht, stellte Kompatscher in Bezug auf die Kritik, dass die Gemeindepolitik – bis auf Bürgermeister Spagnolli und Vize Ladinser – nicht über das Vorhaben aufgeklärt worden seien, klar. Die Lösung, die schließlich gefunden werden müsse, müsse für “Pendler, Touristen, Bozner und Jenesiener” gut gehen, meinte Kompatscher.


Saltner Stimmen

Doch wie sieht man eigentlich in der 3.000-Seelen-Gemeinde am Salten, die Jenesien ist, die Pläne der Städter? “Es darf keinesfalls über unsere Köpfe hinweg entschieden werden”, heißt es von Zukunft Jenesien. Die Bürgerliste ist mit drei Mandataren im Gemeinderat von Jenesien vertreten. Einer davon ist Andreas Lamprecht, der vergangenen Mai als Bürgermeisterkandidat gegen den späteren Sieger Paul Romen von der SVP angetreten war. Für Lamprecht steht fest: “Grundsätzlich sind wir für den Erhalt der bestehenden Bahn”. Er versteht jedoch den Widerstand, den das Seilbahnprojekt in der Landeshauptstadt hervorgerufen hat: “Ähnlich Sturm gelaufen wurde auch in Jenesien selbst, als es um die neue Route für die Seilbahn ging. Auch damals haben sich jene gewehrt, über deren Häuser die Seilbahn fahren sollte – verständlicherweise.” Ebenso nachvollziehbar ist für Lamprecht, dass “nicht in die Talferwiesen hineingebaut” werden sollte.


Andreas Lamprecht: “Verstehe die Bozner, aber...” Foto: Facebook/Andreas Lamprecht

Bei allem Verständnis für die Bozner dürfe man allerdings nicht vergessen, dass es für Jenesien und seine Einwohner sehr wohl ein Mobilitätskonzept brauche, um die zahlreichen Pendler – ein Sechstel der Jenesiener, rund 500 an der Zahl, pendeln jeden Tag nach Bozen – besser an die Stadt anzubinden. “Es braucht eine funktionierende Busverbindung von der Talstation ins Zentrum”, sagt der Bürgerlistenvertreter. Zukunft Jenesien schlägt etwa eine City-Bus-Lösung vor. Das sei sinnvoller, als “bis zu drei Mal umsteigen”, wie es durch eine Verlängerung der Seilbahntrasse bis zum Siegesplatz für viele Pendler notwendig werden würde. Auch am Berg selbst könnte etwa durch eine neue Mittelstation das Wander- und Ausflugsziel Salten attraktiver gemacht werden, sagt Lamprecht. Darin stimmt er mit Bürgermeister Romen überein.

Im Gespräch mit der Tageszeitung Alto Adige positioniert sich dieser allerdings klar für die neue Trassenführung bis hin zum Siegesplatz. Diese bringe einen großen Mehrwert für Jeneisen, noch größer sei dieser aber aus seiner Sicht für Bozen selbst, ist Romen überzeugt. Die Stadt könnte dadurch weltweit noch bekannter für seine Seilbahanlagen werden und auch aus touristischer Sicht einen großen Nutzen erzielen, “wenn die Sache entsprechend vermarket wird”, so Jenesiens Erster Bürger. Romen erinnert daran, dass in Kürze die 20-Jahre-Revision der bestehenden Seilbahn ansteht. Am Salten gibt es daher Befürchtungen, dass diese nicht verlängert und der Seilbahnbetrieb eingestellt wird, sollte es keine Alternativvorschläge zur geplanten neuen Trasse geben. “Es ist klar, dass das Vorhaben für den Bürgermeister ein Prestigeobjekt ist”, kommentiert Andreas Lamprecht, “aber das Ganze muss schon ein bisschen Kopf und Fuß haben”. “Es gibt Ideen, aber keine Entscheidungen”, so die Worte des Landeshauptmanns am Dienstag Mittag. Diese werden wie erwähnt erst dann fallen, wenn die neue Bozner Gemeindeverwaltung im Amt ist. Dann würden auch “Vor- und Nachteile unter Einbeziehung aller Interessierten gegeneinander abgewogen” werden, verspricht Arno Kompatscher.