Società | 8. März

Typisch 8. März

Zum Internationalen Tag der Frau fordert Gleichstellungsrätin Michela Morandini, “mit Denkmodellen zu brechen und ‘gleichberechtigt’ zu denken”.
verwelkte Rosen
Foto: Pixabay

Die Aktion von Engel & Völkers hat in den sozialen Medien für einige Häme gesorgt. Im Vorfeld des Weltfrauentages ließ das bekannte Immobilienunternehmen seinen Vorstand über ihre weiblichen Vorbilder sprechen – blöd nur, dass die Vorstandsmitglieder allesamt Männer sind.

“Realität schlägt jede Satire”, ist nur einer der Kommentare, die auf Twitter niederprasseln. Bei aller Belustigung, kann die PR-Panne auch nachdenklich stimmen. Denn 108 Jahre nach der Einführung des Internationalen Frauentages 1911 gibt es in Sachen Gleichstellung und Gleichberechtigung von Frau und Mann noch immer viel zu tun.

“Das gilt auch für den Bereich Arbeit”, weist Gleichstellungsrätin Michela Morandini anlässlich des bevorstehenden Weltfrauentages am 8. März hin. Die Anzahl der Frauenunternehmen – als solche werden Unternehmen bezeichnet, an deren Führungs- bzw. Besitzpositionen mehrheitlich Frauen stehen – ist 2018 in Südtirol zwar wieder leicht gestiegen. Zugleich aber verdienen Frauen als Angestellte immer noch 17,2 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen.

Darüber hinaus sind Frauen “häufiger von prekären Arbeitsverhältnissen im privaten Sektor betroffen, übernehmen zum überwiegenden Teil die unbezahlte Haushalts- und Betreuungstätigkeit, haben schlechtere Karriereentwicklungen, bedeutend niedrigere Pensionen und sind somit im höheren Ausmaß von Altersarmut betroffen”, zählt Morandini auf. Am morgigen Donnerstag wird sie die nationale Gleichstellungsrätin Francesca Bagni Cipriani im Landtag begrüßen.

Wie aber erklärt sich die Gleichstellungsrätin, dass Frauen am Arbeitsmarkt nach wie vor benachteiligt sind?

“Weibliche Erwerbsbiografien unterscheiden sich wesentlich von jenen von Männern. Sie sind oftmals ein Spiegelbild von vorherrschenden Gesellschaftsmodellen. Darin liegt viel Erklärungspotential. Bereits in der Erziehung wird der Grundstein gelegt, z. B. durch die Vermittlung von ‘typischen’ Verhaltensmustern für Mädchen oder Jungen. Diese Übernahme von gewissen Normen spiegelt sich oftmals auch in der Schul- und Berufswahl wieder. So gibt es immer noch typische ‘Männer- und Frauenberufe’, wobei in Berufen, in denen der Männeranteil überwiegt, in der Regel die Löhne höher sind. Zudem unterbrechen Frauen häufiger ihre Erwerbstätigkeit aufgrund von Erziehungs- und Pflegetätigkeit, diese Lücken können die Karriereentwicklung negativ beeinflussen und die Sozial- und Rentenbeiträge schrumpfen dramatisch. Ein Kreislauf, bei dem Frauen den Kürzeren ziehen.”

“Oberflächlich betrachtet hat Frau im Berufsleben aufgeholt”, stellt Morandini fest, “geht man jedoch tiefer entsteht der Eindruck, dass es in Punkto Gleichstellung schon mal erfolgreichere Zeiten gegeben hat”. Das sein auch einem “klaren Frauen-, Familien- und Gesellschaftsmodell” geschuldet, so die Gleichtstellungsrätin. “Letzteres beeinflusst natürlich auch Arbeitsmodelle und die Unternehmenskultur.” Gleichstellung am Arbeitsplatz, so Morandini, könne nur erreicht werden, “wenn mit diesen Denkmodellen gebrochen und ‘gleichberechtigt’ gedacht wird. Bis zu diesem Tag wird es wohl noch einige ‘Frauentage’ brauchen”.

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Simon G. Mer, 03/06/2019 - 16:46

Es stimmt, dass Gleichstellungsbeauftragte mehr die Lebenssituation von Männern beachten sollten. Es ist aber gerade die "Vermittlung von ‘typischen’ Verhaltensmustern für Mädchen oder Jungen" (s.o.), die nicht nur Frauen, sondern auch Männern Probleme bereitet. Für Männer ist es eher ein Zeichen von Schwäche, Hilfe und Beratung aufzusuchen statt selber mit den (oft nicht bewältigbaren) Problemen fertigzuwerden, was zu den von dir genannten Problemen führt. Eine Überwindung geschlechtsbezogener Stereotype kommt so letztendlich auch Männern zugute (ich empfehle https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2018-11/russland-maenner…). Bei Frauen führen lange Zeiten zuhause für die Familie und Teilzeitarbeit zu zerstörten Karrieren und niedrigen Renten, nach einer Trennung ev. zu Altersarmut (Frauen sind davon häufiger betroffen). Grundsätzlich muss die Bereitschaft von Männern, mehr Aufgaben in der Familie zu übernehmen, aber auch die von Frauen, einen größeren Beitrag zur Gleichstellung zu leisten, steigen. Dein letzter Absatz ist diesbezüglich aber ziemlich inhaltsleer. Die gegenwärtigen Verhältnisse einfach hinnehmen, löst keines der (auch von dir) genannten Probleme.

Mer, 03/06/2019 - 16:46 Collegamento permanente
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Simon G. Mer, 03/06/2019 - 18:41

Es ist zu wenig, die ganze Thematik auf "Frage der individuellen Entscheidungsfreiheit" zu reduzieren. Mit dieser Aussage könnte man zig Themen in Nullkommanix beenden (z.B. das im vorigen Link). Die vorher aufgezählten Probleme - die viele Menschen betreffen und nicht vernachlässigbar sind - bleiben einfach ungelöst. Frauen und Männer haben, auch wenn es geringe, biologisch bedingte Unterschiede gibt, grundsätzlich die gleichen Fähigkeiten; Aber die Vermittlung von Geschlechtsstereotypen hindert sie an der Ausbildung ihrer Fähigkeiten - auch bei gesetzlicher Gleichberechtigung. Frauen können nicht schlechter rechnen oder programmieren als Männer, trotzdem gibt es weniger Mathematikerinnen und Programmiererinnen. Die Präsenz von Frauen ist in bestimmten beruflichen Bereichen noch immer nicht selbstverständlich (was auch für Männer gilt!) - das wirkt abschreckend. Dazu kommt die (oftmals problematische, siehe italienisches Fernsehen) mediale Darstellung der Geschlechter, die ja auf Kinder und Jugendliche großen Einfluss übt. Es ist also wie ein Teufelskreis. Junge Mädchen schätzen sich laut einer Studie sogar dümmer als junge Buben ein, obwohl beide Geschlechter im Schnitt gleich intelligent sind (https://www.welt.de/kmpkt/article161648728/Darum-glauben-Maedchen-dass-…). Dass dabei auch Frauen Geschlechtsstereotype fördern können, will ich gar nicht abstreiten. Und von fehlendem Respekt hätte ich jetzt besonders in Südtirol nichts gemerkt.

Mer, 03/06/2019 - 18:41 Collegamento permanente
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Simon G. Mer, 03/06/2019 - 21:17

Könnte man so (einseitig) sehen, aber das "Patriarchat" ist ja auch eine "Schere" in den Köpfen der Männer. Es stellt sich halt heraus, dass beide Scheren Männern u.a. eine bessere Bezahlung und eine bessere Rente "bescheren" (Achtung Wortspiel). Das "Patriarchat" geht aber über die Schere hinaus, wenn es Frauen einfach weniger bezahlt, weil sie womöglich schwanger werden könnten, oder es körperlichen Schaden anrichtet, z.B. durch sexuelle Gewalt am Arbeitsplatz, von der Frauen weit häufiger als Männer betroffen sind.
Wenn du jetzt versuchst, mir zu unterstellen, dass ich glaube, Frauen seinen selbstverschuldet in dieser Situation - betrachtet man es rein gesetzlich, könnte man sagen "ja", da heute Frauen und Männer gesetzlich mehr oder weniger (siehe bis vor Kurzem das italienische Namensrecht) gleichberechtigt sind. Eine Gesellschaft besteht aber nicht nur aus Gesetzen, sondern aus Menschen und ihren Sitten und Konventionen. Die können in der Praxis dann auch wie ein gesetzliches Hindernis wirken. Bei dir scheint die Debatte nach dem Gesetz erledigt zu sein, für mich und viele andere ist sie es nicht.

Mer, 03/06/2019 - 21:17 Collegamento permanente
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Simon G. Mer, 03/06/2019 - 21:22

Von hier aus kann man eine Grundsatzdebatte, d.h. eine Debatte über die Prämissen der Geschlechtergerechtigkeit selbst beginnen: Reicht gesetzliche Gleichstellung oder muss sich auch die Gesellschaft ändern? Warum bzw. warum nicht? Die Prämissen sind das, worin sich konservative und progressive Geister unterscheiden (ich glaube, du verstehst, was ich mit konservativ-progressiv meine); Vielleicht sollte das in den Medien mehr diskutiert werden. In der Hoffnung, dass ich keinen Müll abgesondert habe, verabschiede ich mich für heute.

Mer, 03/06/2019 - 21:22 Collegamento permanente
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Simon G. Sab, 03/09/2019 - 16:11

In risposta a di Elisabeth Garber

Es steht jeder Person, die bei salto.bz registriert ist, unabhängig von ihrem Geschlecht frei, unter einem Artikel einen Kommentar zu hinterlassen. Was wollen Sie mit damit aussagen? Oliver H. und ich hätten nicht kommentieren sollen, weil wir Männer sind? Frauen sollten mehr kommentieren? Was ist ihre Aussage?

Sab, 03/09/2019 - 16:11 Collegamento permanente
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Simon G. Sab, 03/09/2019 - 16:06

Ich finde es vorbildlich, wenn beide Elternteile den gleichen Anteil übernehmen. Der Rest sind legitime, konservative Meinungen (die ich ausdrücklich nicht teile), wobei ich es nicht angemessen finde, von Erziehungs-"Modell" zu sprechen, da Alleinerziehende sich nicht ihre Situation und gleichgeschlechtliche Paare sich nicht ihre Sexualität aussuchen und deshalb keine alternativen Erziehungs-"Modelle" bilden. Außerdem zeigen Studien, dass Kinder in stabilen Familien mit gleichgeschlechtlichen Eltern genauso glücklich sind wie in üblichen stabilen Familien mit Vater und Mutter.

Sab, 03/09/2019 - 16:06 Collegamento permanente