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Team Autonomiefeindlich

Warum Südtirols dritter Senatssitz den Italienern gehört. In Zukunft erst recht.
SVP-Parlamentswahlen
Foto: Othmar Seehauser

Der Wahlkampf wird um sein, ohne dass er überhaupt stattgefunden hat. Es mag am vorweggenommenen Ergebnis liegen, das alle schon zu wissen glauben. Rechts gewinnt, da sei nichts mehr zu machen. Ob das reicht zur Entschuldigung, dass auch die Südtiroler Parteien sich zum Anlass so gar nichts Eigenes, geschweige Neues einfallen lassen? Das Ergebnis wird’s zeigen. 

Am bequemsten macht es sich die Volkspartei. Sie muss sich nichts einfallen lassen. Die Partei hat das Wahlgesetz auf ihrer Seite. Es ist derart schamlos zu ihrem Vorteil, dass sie zumindest nicht noch schamloser damit umgehen sollte. Zu offenkundige Vorteilnahme kann sich irgendwann rächen. Wahlen mehr per Gesetz gewinnen als durch Wahl, ist undemokratisch, und dass immer weniger Menschen zur Wahl gehen, gerade in Südtirol, ist der Beweis dafür. 

Gewählte zu wählen verdirbt das Spiel. Oder ist es etwa nicht bezeichnend, dass die SVP nichts Originelleres auf die Plakate bringt als ein banales „Team Autonomie“? „Team Autonomie“ hieß sich vor zehn Jahren einmal ein Ein-Frau-Team, Artioli (Elena) sein Name damals, und wir alle durften lachen. Dazu kommt, was vor jeder Wahl immer schon Trumpf war, nämlich die ethnische Erpressung: In Rom, besser gesagt: gegen Rom geschlossen. Derart gedankenlos wird diese Einig-Volk-Fürbitte herabgebetet, dass die SVP, wäre sie konsequent, bei den kommenden Landtagswahlen selber zu Parteienvielfalt aufrufen müsste. 

Als wollte er sagen: Es sei uns besser gegangen, als es noch schlechter ging

Das einzig Neue, das sich die Volkspartei-Strategen zu diesen Parlamentswahlen haben einfallen lassen, ist die Erinnerung an Altes: Seit der Streitbeilegung von vor 30 Jahren sei allerhand an Rechten verloren gegangen. Durchführungsbestimmungen würden missachtet, der Verfassungsgerichtshof habe gekappt, was einmal gegeben war. Kurz, um die Autonomie sei es schon einmal besser gestanden. Ausgerechnet der Landeshauptmann, und das durfte einen überraschen, hat sich seine Festrede zum 50-Jahr-Jubiläum der Südtirol-Autonomie am 5. September in Meran mit einem Klagekatalog verdorben. Der Staat Italien sei nicht mehr nur knauserig mit der Herausgabe neuer autonomer Zuständigkeiten, er kassiere nun sogar bestehende.  Als wollte er sagen: Es sei uns besser gegangen, als es noch schlechter ging.

 

 

Alles Bemühen um weitere autonome Zuständigkeiten in Ehren, aber wie steht es um den Umgang mit den Zuständigkeiten, die wir haben? In der Tat fällt auf, dass der Staat neuerdings genauer hinschaut, als uns lieb ist, wie wir mit unseren Zuständigkeiten, mit autonomen Rechten, umgehen. Aktuelles Beispiel:  Wie gehen wir um mit der hoch gelobten Paketmaßnahme 111, die Südtirol drei Senatswahlkreise zuweist und – sicher mit Geschick der SVP – gleich drei Wahlrechtsreformen heil überstanden hat? Drei Senatoren für Südtirol! und das sogar weiterhin im künftig von 315 auf 200 zusammengekürzten Senat. Die Region Abruzzen hat einen einzigen. Es war ein gewährtes Privileg, gerechtfertigt damit, dass die Sprachgruppen in Südtirol ihrem Verhältnis nach vertreten seien. Konkreter: dass auch ein Italiener die Chance hat.

Das Recht pervertierte schon bisher zum Privileg, also Unrecht. Weil es von der SVP nicht in dem Geist respektiert wird, in dem es gewährt wurde. Die notorische Zersplitterung der italienischen Parteienlandschaft ausnutzend, bringt sie entweder gleich einen eigenen dritten Senatskandidaten in Position, so wie diesmal, oder sie erpresst mit ihren Stimmen einen ihr genehmen italienischen Kandidaten. Es darf somit in Südtirol keinen Senator „der“ Italiener mehr geben, sondern allenfalls einen „für“ die Italiener. Einen Italiener von Volkspartei’s Gnaden. Der Zynismus der Macht, mit welchem die SVP bei den letzten Parlamentswahlen unseren italienischen Landsleuten den Senator Bressa und, noch schlimmer, die Abgeordnete Boschi vorgesetzt hat, wird sich rächen. Den „disagio“ der italienischen Sprachgruppe gibt es, und die bewiesene Gespürlosigkeit der SVP nährt ihn. Die italienischsprachigen Südtiroler werden sich die Entmündigung à la longue nicht gefallen lassen. Ein eigener Senatssitz mehr ist der SVP wert, ihre Glaubwürdigkeit als verlässlicher Autonomie-Garant aufs Spiel zu setzen. Jeder halbwegs gebildete Volksparteiler weiß, dass einer der drei Südtiroler Senatoren der italienischen Sprachgruppe „gehört“. Gehört, jawohl. Und dass alles andere nur Ausnutzung der Schwäche des Partners ist. 

 

„Im Geiste der Billigkeit und Weitherzigkeit“, so steht‘s im Pariser Vertrag, dem Grundgesetz unserer Autonomie. Und unter so einem Geist muss auch ihre Anwendung stehen, will sie Bestand haben.  Drei SVP-Senatoren entsprechen ihm nicht. Und vielleicht nehmen es Regierung und Verfassungsgerichtshof auch deswegen mit unseren Autonomie-Paragrafen nicht mehr so genau, weil sie merken, wie wir selber sie beugen und brechen. 

Freilich trifft die SVP nur der eine Teil der Verantwortung. Ihre Mitbewerber (großes Wort!), die italienischen voran, sind weniger schuld, insofern sie nicht zählen. Sie überbieten  einander an Eigenbrötelei in Listen und Listchen, grad als wäre ihr Wahlziel, dem gemeinsamen Gegner SVP als Opfer erhalten zu bleiben. Doch auch die Grünen, und das Team K? Wohl haben sie sich mit einem Rest von Einsicht aufgerafft zu einer Allianz mit dem Partito democratico. Aber ihr Wahlkampf-Einsatz für den gemeinsamen Senatskandidaten Luigi Spagnolli? Wenig beherzt. Wer sollte den demokratischen italienischen Part unseres sonst so mehrsprachig tuenden Südtirols spielen im nächsten, verkleinerten Senat, wenn nicht er? 

Es gibt genug verantwortungsbewusste, kluge, über den nächsten Wahltermin hinaus denkende SVPler, denen das gedeihliche Zusammenleben der Sprachgruppen im Land mehr wert ist als der eine erschlichene deutsche Senatssitz mehr. 

Es bleibt eine Hoffnung: Es gibt genug verantwortungsbewusste, kluge, über den nächsten Wahltermin hinaus denkende SVPler, denen das gedeihliche Zusammenleben der Sprachgruppen im Land mehr wert ist als der eine erschlichene deutsche Senatssitz mehr. 

 

Florian Kronbichler saß von 2013 bis 2019 für die SEL in der Abgeordnetenkammer.

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Martin Sitzmann Lun, 09/19/2022 - 15:51

Die 7 Laster laut christlicher Überzeugung:
1. Superbia - Hochmut (Stolz, Eitelkeit, Übermut)
2. Avaritia - Geiz (Habgier, Habsucht)
3. Luxuria - Wollust (Ausschweifung, Genusssucht, Begehren, Unkeuschheit)
4. Ira - Zorn (Jähzorn, Wut, Rachsucht)
5. Gula - Völlerei (Gefräßigkeit, Maßlosigkeit, Unmäßigkeit, Selbstsucht)
6. Invidia - Neid (Eifersucht, Missgunst)
7. Acedia - Faulheit (Feigheit, Ignoranz, Überdruss, Trägheit des Herzens)
Welche dieser 7 schlechten Charaktereigenschaften derzeit nicht in der politischen Landschaft zu finden sind, mögen die interessierten Leser*innen für sich bewerten.
Und nachher werden wieder alle betroffen über die geringe Wahlbeteiligung sinnieren und ihren riesigen blinden Fleck schön weiter ignorieren...

Lun, 09/19/2022 - 15:51 Collegamento permanente
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△rtim post Lun, 09/19/2022 - 16:43

Kronbichler u.a. tun ja gerade so, als ob es in der Vergangenheit bzw. in Zukunft keine italisch-identitären Vertreter-innen mehr aus Bozen geben würde. Die Erzählung der siamo-in-Italia-fascista-Versteher, dass in Italien gar das italienischsprachige Staatsvolk die schützenswerte Minderheit sei und nicht etwa ethnische Minderheiten, darunter die 0,4% Südtiroler Minderheitenbevölkerung, wird durch die Wiederholung auch nicht richtiger.
Man weiß, die sogenannten Bozner Grünen ticken da bekanntermaßen seltsam anders als all die anderen European Greens.
Wo sonst gibt es bei den European Green sonst noch, dass man, anstatt sich als Demokrat-in von Feinden der offenen Zivilgesellschaft (Popper) zumindest abzugrenzen, gar einen Postfaschisten für eine Funktion in Volksvertretung wählt https://www.brennerbasisdemokratie.eu/?p=72911
und vielmehr bei dieser italienischen Parlamentswahl eine bislang kleine Minderheitenvertretung, die mit 0,1% im italienischen Parlament vertreten ist, bekämpft?

Lun, 09/19/2022 - 16:43 Collegamento permanente
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Mart Pix Mar, 09/20/2022 - 11:51

Die svp autonomiefeindlich zu nennen kann nur einen Grünen Queerschädel einfallen. ein aufsatz eines svp hassers der seinen hass wie im tagebuch schreibt.
was haben sie denn schon erreicht in ihrer amtzeit?
Stille :-}

Mar, 09/20/2022 - 11:51 Collegamento permanente
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Alberto Stenico Mar, 09/20/2022 - 20:21

Se agli altoatesini di lingua italiana interessasse veramente avere un loro rappresentante al Senato, avrebbero tentato di formulare una proposta unitaria, indipendente dai partiti nazionali. Il cosiddetto "seggio destinato agli italiani" non dovrebbe essere una concessione della SVP, ma il risultato di una conseguente iniziativa politica unitaria all'interno della comunità italiana della nostra provincia. Non ce n'è traccia. Si continua a pensare che l'unico modo per eleggere un senatore italiano sia quello di ottenere l'appoggio esplicito o la desistenza della Svp. Vuol dire che quello del senatore italiano altoatesino viene considerato dagli stessi elettori interessati un "bisogno debole".

Mar, 09/20/2022 - 20:21 Collegamento permanente