Politik | U-Ausschuss

“Nicht ohne uns”

Die Opposition wird den Landtag lahmlegen. Weil die Mehrheit auf die Aussetzung der Arbeiten im Masken-U-Ausschuss beharrt. Die SVP spricht von “politischer Erpressung”.
Opposition Landtag
Foto: Team K

Es kam, wie es wohl kommen musste: Weil sich die SVP keinen Schritt bewegt, greift die Opposition zu “klaren und harten Maßnahmen”. So drückt es Franz Ploner aus. Als Präsident des Masken-Untersuchungsausschusses spricht er am Donnerstag Nachmittag als erster – und verliest im Foyer des Landtags im Namen aller 16 oppositionellen Landtagsabgeordneten eine Stellungnahme.

Eigentlich hätte sie Ploner einige Meter weiter, im Sitzungssaal vortragen wollen. Doch Landtagspräsident Sepp Noggler verwehrte dem U-Ausschussvorsitzenden das Wort. Woraufhin die Oppositionsvertreter geschlossen den Saal verließen und kurzerhand eine Medienkonferenz einberiefen.

“Eine Aussprache zwischen Minderheit und Vertretern der Mehrheit am Vormittag hat kein Ergebnis gebracht. Der Abgeordnete Lanz wird seinen Antrag auf die Aussetzung der Arbeiten bis Ende der Ermittlungen nicht zurückziehen. Das kommt einer Beschneidung unserer Kontrollfunktion gleich, die wir nicht schweigend hinnehmen werden.” Dass alle sieben Oppositionsfraktionen selten einig hinter dieser Aussage stehen, beweist, wie ernst es allen ist. “Wir sind so geeint, dass kein Blatt Papier zwischen uns passt”, sagt Sven Knoll.

 

Nicht ohne Opposition

 

Für die Minderheit ist es “skandalös”, “schlechtester Stil” “jenseits jeglicher Logik von Demokratie”, aber auch Zeichen “extremen Arroganz” und “interner Schwäche”, dass die politische Mehrheit bzw. in erster Linie die SVP seit Tagen darauf beharrt, die Arbeiten des Untersuchungsausschusses auf Stand-by zu setzen solange die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft zum Ankauf von Schutzmateralien – in erster Linie jenen über die Firma Oberalp in China – laufen.

Als der Untersuchungsausschuss im Mai eingesetzt wurde, waren die Ermittlungen bereits im Gange. Von einer Aussetzung war damals aber nicht die Rede. Im Gegenteil, die SVP zeigte sich kooperativ. “Das ist die Gelegenheit, den Sachverhalt pragmatisch und transparent darzulegen”, meinte Fraktionssprecher Gert Lanz. Doch vorige Woche beantragte er die Einstellung der Arbeiten – mit Verweis auf laufende Ermittlungen. “Es wäre fatal, wenn wir das dulden würden, auch für künftige Untersuchungsausschüsse”, meint Andreas Leiter Reber. Die Opposition sieht sich in einer “grundlegenden demokratischen Funktion” beschnitten, nämlich jener der Kontrolle. “Wir sind nicht angetreten, um die juridische Verantwortung zu klären, sondern die politische”, betont Diego Nicolini. Dass die Mitglieder der Landesregierung nicht vor dem Ausschuss erschienen sind, sei “inakzeptabel gegenüber den Bürgern”, wettert Alessandro Urzì.

 

Man habe alles versucht, um die Mehrheit zu einem Kompromiss zu bewegen, zuletzt bei einer Aussprache am Donnerstag Vormittag – erfolglos, berichten die Oppositionsvertreter unisono. “Meine persönlicher Einschätzung ist, dass man die Arbeiten im Ausschuss jetzt blockieren will, um bis zu den Gemeinderatswahlen im Herbst keine störenden Medienberichte zu haben”, vermutet Brigitte Foppa. Und Sven Knoll berichtet davon, dass dieser Satz vonseiten der Mehrheit tatsächlich gefallen sei – “lieber ein Mal einen Aufschrei wegen der Aussetzung als das Thema monatelang mitzuziehen”. Das aber wolle man SVP und Lega nicht erlauben – und greift daher nun zum “letzten Mittel der Opposition”, wie es Sandro Repetto ausdrückt. “Die Mehrheit wird merken, dass sie ohne uns nicht arbeiten kann”, kündigt Franz Ploner an.

 

Aufstehen und gehen

 

Als Lanz’ Antrag auf Aussetzung vergangenen Freitag auf dem Tisch lag, verließen die Oppositionsvertreter (bis auf Präsident Ploner) aus Protest die Sitzung. Damit wollten sie auch verhindern, dass der Beschluss von den Mehrheitsvertretern abgesegnet wird. Denn obwohl diese 3:7 in der Unterzahl sind, hat jedes Mitglied eines Untersuchungsausschusses so viele Stimmen, wie seine Fraktion Abgeordnete hat. Allerdings ist ein solcher Ausschuss nur beschlussfähig, wenn die Mehrheit der Mitglieder anwesend ist.

Genau dasselbe gilt für die Gesetzgebungsausschüsse. Und diese Waffe zückt die Opposition nun. In den vier Gesetzgebungsausschüssen sitzen jeweils vier Vertreter der Mehrheit und vier der Minderheit. Fehlen die Minderheitsvertreter, ist die Beschlussfähigkeit nicht gegeben und der Ausschuss kann keine Gesetzesvorhaben genehmigen und damit in den Landtag weiterleiten. “Wir werden bei den Sitzungen der Ausschüsse aufstehen und sie verlassen. Dadurch geht kein einziges Gesetz durch – solange die SVP keine Einsicht zeigt”, bringt es Sven Knoll auf den Punkt. Bereits kommenden Mittwoch will die Opposition ernst machen. Und die Arbeiten im III. Gesetzgebungsausschuss, der zum wichtigen Vorhaben Nachtragshaushalt tagt, boykottieren.

 

“Politische Erpressung”

 

Und was sagt die SVP? Dort nimmt man die Einigkeit und das Vorhaben der Opposition “mit Befremdung” zur Kenntnis. In einer Aussendung lässt Fraktionssprecher Lanz am Donnerstag Nachmittag ausrichten:

“Am Anfang der Legislatur hatte die Mehrheitspartei bei der Besetzung der Gesetzgebungsausschüsse großes Entgegenkommen gezeigt. Sie hatte freiwillig auf die Mehrheit in den Kommissionen zu Gunsten der Minderheit verzichtet. Nun kündigt die Opposition an, dies gegen die Mehrheit einzusetzen. Wir sind von einem konstruktiven Miteinander ausgegangen und haben auch darauf vertraut. Jetzt spricht die Opposition von fehlendem Demokratieverhalten und droht uns öffentlich an, weiterhin die Arbeiten zu blockieren. Das ist ein absolut verantwortungsloses Verhalten, für das es kein Verständnis gibt. In einer Phase, in der Südtirol dabei ist, eine schwere Krise zu bewältigen und in der tagtäglich wichtige Entscheidungen anstehen, spielt die Opposition ein gefährliches Spiel. Mit ihrem Verhalten verhindert sie unter anderem, dass Unterstützungen für Familien und Betriebe ankommen. Auf der einen Seite fordern die Oppositionellen die Einhaltung demokratischer Grundrechte, auf der anderen Seite zeigen sie keine Bereitschaft für einen demokratischen Dialog und erpressen uns. Wir werden uns weiterhin unserer politischen Verantwortung stellen und hoffen, dass sich unsere Oppositionskollegen/innen bewusst werden, was sie mit ihrem Verhalten und mit ihren Drohungen für Südtirol anrichten könnten.”

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gorgias Do., 02.07.2020 - 19:39

Dieses Manöver ist ein Zeichen eines dysfunktionalen politischen Systems und erinnert mich an den government shutdowns in den Vereinigten Staaten, wo die eine Seite dem amtierenden Präsidenten die Finanzierung von Bundesbehörden abschneidet in dem sie dem Haushaltsgesetz nicht zustimmt oder die Verschuldungsgrenze nicht anhebt. Durch die Polarisierung der politischen Seiten haben sich in den letzten Jahrzehnten diese gehäuft und sind tendenziell auch länger geworden.

Hier ist es nun wichtig für beide Seiten zu verstehen was für ein Spiel nun gespielt wird. Es geht vor allem darum die Öffentlichkeit auf die eigene Seite zu zu ziehen. Gewonnen haben jene die überzeugend der andere Seite den Schwarzen Peter zuschieben. Jene Seite die befürchtet den größeren politischen Schaden davonzutragen wird als erstes nachgeben und die andere gewinnen.

Es ist beindruckend, dass sieben Fraktionen die politisch das gesamte politische Spektrum abdecken sich für ein Ziel zusammengefunden haben. Das könnte eine entsprechende Symbolwirkung besitzen. Es ist wichtig dass diese Gruppierung nun erklärt warum diese Aktion so wichtig ist, denn der Südtiroler ist vom Charakter her eher von pragmatischer als von idealistischer Natur und die SVP weiss dies nun auch so auszuspielen in dem sie nun den anderen die Schuld versucht zu geben, dass nun Familien und Betriebe den Kürzeren ziehen. Man kann nun auf die Antwort der anderen Seite gespannt sein. - Rethorisch begabte Personen wäre da genug dabei.

Und mindestens ist nun das Sommerlochproblem gelöst. - Denn mit Corona alleine wäre das ein bischen dröge gewesen. :-)

Do., 02.07.2020 - 19:39 Permalink
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Salto User
Manfred Gasser Do., 02.07.2020 - 22:35

Antwort auf von gorgias

Gut analysiert, auch ich denke, dass dieses "Spiel" diesen Sommer anhalten wird, und der Gewinner könnte im Herbst seine Siegprämie einfahren. Ich hoffe einfach mal, dass Sie mit den "rethorisch begabten Personen" recht haben, und die Antwort der Opposition die Südtiroler auch erreicht.

Do., 02.07.2020 - 22:35 Permalink
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Peter Gasser Do., 02.07.2020 - 22:47

Antwort auf von Manfred Gasser

Der Mensch ist Subjekt, und nicht Objekt im “Spiel” anderer; oder gar im Spiel von Politikern, eine Betrachtungsmasse, um “auf die Seite gezogen” zu werden.
Unser Leben ist kein Spiel.
Der Mensch, der Bürger ist nicht Grundmasse für “Gewinner”, für “Siegerprämien”.
Was zeigt sich hier für eigenartiges Verständnis der Wirklichkeit, von Demokratie, von Respekt.
Eine politische Elite “spielt” ihre “Spielchen” um “Sieg”, also um Macht und Geld, und das wird hier so unbedarft & komplizenhaft “analysiert”?
Ich bin, zugegeben, irritiert.

Do., 02.07.2020 - 22:47 Permalink
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Salto User
Manfred Gasser Fr., 03.07.2020 - 07:28

Antwort auf von Peter Gasser

"Der Mensch ist Subjekt, und nicht Objekt im “Spiel” anderer; oder gar im Spiel von Politikern, eine Betrachtungsmasse, um “auf die Seite gezogen” zu werden." Es geht diesen Damen und Herren aber nicht um den Menschen, es geht um Politik, und dabei ist der Wähler Teil dieser Masse.
" Unser Leben ist kein Spiel". Aber die heutige Politik ist ein Spiel, ob es nun gefällt oder nicht. Und wir sind in diesem Spiel die kritische Masse, die mit den Wahlen die Richtung vorgibt, nicht mehr und nicht weniger.
Und nochwas, Gorgias und ich sind nicht Komplizen, sondern nur dies eine mal der selben Meinung.

Fr., 03.07.2020 - 07:28 Permalink
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Peter Gasser Fr., 03.07.2020 - 09:19

Antwort auf von gorgias

Komme wir noch einmal auf die “rhetorisch begabten Personen” zurück:
Im oben zitierten Schreiben steht:
- “Wir sind von einem konstruktiven Miteinander ausgegangen und haben auch darauf vertraut”:
und mit dieser eigentlich guten Einstellung werden Teilnahme und Aussagen am Untersuchungsausschuss verwehrt? Man *sagt* das Schöne und macht das *Hässliche*, also: man tut selbst öffentlich und objektiv sichtbar das Gegenteil von dem, was man vom anderen einfordert: “rhetorische Begabung”, wo bist du?

Weiter:
- “Das ist ein absolut verantwortungsloses Verhalten, für das es kein Verständnis gibt”:
dies der Vorwurf, und genau dieses Verhalten hat man als Auslöser dessen, was man hier so kritisiert, selbst als Beispiel, als Vorlage geboten. Der Bürger kennt doch heute noch das Gestern, der Bürger kann doch Ursache und Wirkung, Aktion und Reaktion erkennen. Hier wird dermaßen offensichtlich mit zweierlei Maß gemessen, dass es schon beim Lesen weh tut: rhetorische Begabung, wo bist du nur wieder geblieben?

- “ ... spielt die Opposition ein gefährliches Spiel”: da muss man wirklich nicht sehr intelligent sein, um zu erkennen, WER denn nun dieses “gefährliche Spiel”, das hier angeprangert wird, begonnen hat. Offensichtlich der, der sich darüber beklagt. Rhetorische Begabung, nochmal wirst du vermisst!
In diesem Schreiben fehlt alles, was irgendwie auf rhetorische Begabung hinweisen würde, es bleibt oberflächlich, segmenthaft, unlogisch, es ist voller Gruben, die man sich selbst gräbt und in die man hineinfällt.
Man dreht den Wasserhahn auf, und wenn die Wohnung dann am Absaufen ist, wirft man dem anderen vor, er habe den Wasserhahn nicht geschlossen, ignorierend - und glaubend, alle anderen würden dies schon “vergessen” haben - dass man es selbst war, selbst den Wasserhahn geöffnet hat.

Fr., 03.07.2020 - 09:19 Permalink
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Peter Gasser Fr., 03.07.2020 - 19:35

Antwort auf von Manfred Gasser

Ja, das ist eine berechtigte Rückfrage, wie ich beim Nachlesen erkenne, hier liegt in der Tat eine Unklarheit:
zu 1: Natürlich ist dies so;
zu 2: ich hatte dies mit den “rhetorisch begabten Personen” auf die SVP bzw. das zitierte Schreiben zurückgespiegelt, wie aus meinem Beitrag hervorgeht, und “rhetorisch begabte Personen” mit der Reaktion der SVP verbunden.

Fr., 03.07.2020 - 19:35 Permalink
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rotaderga Sa., 04.07.2020 - 07:41

Ich hab das alles und öfters von oben nach unten und unten nach oben durchgelesen.
Schlussendlich kann ich alles nur in einem neapolitanischen Sager zusammenfassen:
"O cummanna' è meglio d' 'o fottere"
Südtirol ist manchmal mehr Italien.

Sa., 04.07.2020 - 07:41 Permalink