Kultur | Debatte

“Denkmantel” statt Deckmantel

Die Ausstellung des äthiopischen Mantels in der Meraner Villa Freischütz nimmt Roland Lang zum Anlass, um wiederholt die Entfernung faschistischer Relikte zu fordern.
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Foto: Georg Tappeiner

Seit Samstag (4. September) und noch bis 6. November ist in der Meraner Villa Freischütz ein Objekt zu sehen, das Fragen aufwirft – und aufwerfen soll. “Der Äthiopische Mantel” heißt die Ausstellung, die denselben in den Mittelpunkt stellt: Wie ist der Prunkmantel, wie er von dem äthiopischen Kaiserhaus an verdiente Krieger verliehen wurde, in die Sammlung der Villa Freischütz gelangt? Und sollte er nach Afrika zurückkehren? Mit der Sonderschau wollen der Historiker Hannes Obermair und die Berliner Kuratorin Ariane Karbe einen Denkanstoß für eine Debatte über die italienische faschistische Kolonialzeit und Raubkunst an.

Der äthiopische Mantel war wahrscheinlich von dem im militärischen Überfall auf Äthiopien – im Abessinienkrieg zwischen 1935 und 1936 – eingesetzten italienischen General Enea Navarini erbeutet und in seinen damaligen Südtiroler Wohnsitz, die Villa Freischütz in Meran-Obermais, mitgenommen worden. General Navarini hatte 1936 mit seinen militärischen Einheiten an dem Völkermord in Äthiopien mitgewirkt, wo gegen die einheimische Bevölkerung mit Giftgas und Brandbomben vorgegangen wurde”, erinnert Roland Lang. Der Obmann des Südtiroler Heimatbundes zeigt sich erfreut und dankbar, dass der Historiker Obermair in einem Interview mit der Tageszeitung nicht nur die Rückgabe des Beutestückes an Äthiopien befürwortet, sondern sich von der Ausstellung auch die Eröffnung einer Debatte über die italienische Kolonialzeit erhofft.


“Ohne Vorwarnung oder Kriegserklärung, vor allem aber ohne Kriegsursache, hatten mehrere Hunderttausend italienische Soldaten die von Kaiser Haile Selassie I. befehligten äthiopisch-abessinischen Einheiten angegriffen. Innerhalb der rüstungstechnisch und organisatorisch stark überlegenen italienischen Verbände befanden sich auch Hunderte von Südtirolern, die ihrem Einrückungsbefehl Folge geleistet hatten. Anhand dieses einen Objektes stellt das Hausmuseum in Meran sich beispielhaft Fragen nach Verantwortung, Schuld und möglicher Wiedergutmachung.”
(Ausstellungskuratorin Ariane Karbe in einem Schreiben an den Südtiroler Heimatbund)


“Dieser Hoffnung und Forderung schließt sich der Südtiroler Heimatbund aus vollem Herzen an”, richtet Lang aus. Doch dabei belässt er es nicht. Er münzt die Causa auch auf Südtirol um. “Vor allem müssen auch die faschistischen Denkmäler, die bis heute die faschistische Kolonialverbrechen lügnerisch verherrlichen, abgerissen und in Museen verbannt werden.” Lang nennt den “Kapuziner-Waschtl” in Bruneck und auch das Siegesdenkmal in Bozen – jenes Monument, an dessen Historisierung Hannes Obermair maßgeblich beteiligt war und dafür auch ausgezeichnet wurde. Obermair hatte sich stets gegen den Abriss des Siegesdenkmals ausgesprochen. Die Forderung danach sei “Ausdruck einer großen sozialen Enttäuschung und es spiegelt eine gewisse Unfähigkeit von Gesellschaften wider, Unrechtsverhältnisse öffentlich aufzuarbeiten, die an den Denkmälern nicht kontextualisiert wurden”, meinte er zuletzt in einem Interview mit dem Onlinemagazin Barfuss vor einem Jahr.