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Foto: secolo d'italia
Politik | Neue Regierung

Die erste Frau im römischen Chigi-Palast

Giorgia Meloni hat im Eiltempo ihre neue Regierungsmannschaft präsentiert - mit vielen alten Gesichtern

Es ist eine Zeitenwende: zum ersten Mal in der Geschichte Italiens wird das Land von einer Frau regiert.  Weniger positiv ist, dass es sich um eine Vertreterin der Postfaschisten handelt. Eile schien geboten: nach den Wirrnissen der vergangenen Tage, den Eskapaden von Silvio Berlusconi und dem üblichen totoministri war Meloni darauf bedacht, konkrete Zeichen zu setzen und Effizienz zu beweisen - auch angesichts der Skepsis, mit der in den EU-Hauptstädten von Berlin bis Paris nach Rom geblickt wird - besonders nach dem jüngsten theatralischen Konflikt zwischen Meloni und Berlusconi: "Serviremo l`Italia con orgoglio."
Was sofort auffällt: In der 24-köpfigen Ministerriege der ersten weiblichen Regierungschefin sitzen gerade mal 6 Frauen - ein Viertel des Kabinetts. Fünf sind parteilose Fachleute. Der Ex-Cavaliere Silvio Berlusconi wurde trotz seines Drängens in der Ministerliste nicht berücksichtigt - er bleibt jedoch nach dem jüngsten Austausch von Geschenken mit Putin eine mina vagante. Alles wurde im Eiltempo abgewickelt. Die neue Regierungschefin gab vor der Presse eine Erkärung ab, die kaum eine Minute dauerte - ein Rekord. Die erste Frau im römischen Chigi-Palast kann es kaum erwarten, nach Wochen des Tauziehens und der politischen Spekulationen zur Tagesordnung überzugehen und Zeichen zu setzen. Vizepremier und neuer Aussenminister wird mit Antonio Tajani ein Urgestein - seit Jahrzehnten in der Politik. Der 70-jährige Römer gehörte 1994 zu den Mitbegründern von Forza Italia, war lange EU-Abgeordneter und mehrmals EU-Kommissar. Kaum angebracht scheint Melonis Entscheidung, ihren Schwager Francesco Lollobrigida zum Landwirtschaftsminister zu befördern. Die Ernennung des Lega-Vertreters Roberto Calderoli zum Regionenminister wurde in Südtirol mit Genugtuung aufgenommen.

Der Ex-Cavaliere bleibt nach dem jüngsten Austausch von Geschenken mit Putin eine mina vagante.

Lega-Chef Matteo Salvini wird Vizepremier und Infrastrukturminister, mit seinem Parteikollegen Giancarlo Giorgetti übernimmt ein Draghi-Vertrauter und Ökonom das Wirtschafts- und Finanzressort. Das Gesundheitsressort  geht an den Nuklearmediziner Orazio Schillaci von der römischen Universität Tor Vergata. Die Vertrauensabstimmungen in Kammer und Senat sollen am Dienstag und Mittwoch über die Bühne gehen. Dann kann die Arbeit der ersten, von einer Frau geleiteten Regierung offiziell beginnen beginnen.  Surreal mutet die Umbenennung etlicher Ministerien an: Das Landwirtschaftsministerium heisst nun ministero dell`agricoltura e della sovranità alimentare, jenes per lo sviluppo economico erhält den den Zusatz e del made in Italy  und das Unterrichtsministerium trägt den neuen Namen ministero della scuola e del merito. Das Familienministerium schliesslich erhält die Beifügung e della natalità.  Eine Forderung Melonis kann man uneingeschränkt teilen: "Stop a Berlusconi." Wie sie im Detail verwirklicht werden soll, bleib vorerst unklar.

 

 

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△rtim post Sa., 22.10.2022 - 14:22

Ja, der Zeitenwandel. Statt Schwarzhemd als Dresscode nun also Tailleur in Schwarz. Ausdruck der Fortführung des totalitären Erbes (Ciano-Mussolini) wohl auch die Familien- und Freundeswirtschaft bis auf der Ministerebene mit der Nominierung des Schwagers Lollobrigida.

Sa., 22.10.2022 - 14:22 Permalink
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Am Pere Sa., 22.10.2022 - 20:16

Unabhängig der Kleiderwahl kann sich Südtirol auf unangenehme Zeiten gefasst machen. Lollobrigida, La Russa, Fontana und Santanché sind Hardliner, v.a. Lollobrigida hat sich als Südtirol-Hasser hervorgetan.
Am Ende ist man jedoch selbst schuld, wenn man - 100 Jahre nach dem Marsch auf Bozen und Rom - Postfaschisten als Freund betrachtet.
Tajani bewundert Mussolini, Dorfmann bezeichnet Tajani als Freund. Finde den Fehler.

Sa., 22.10.2022 - 20:16 Permalink
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Salto User
Manfred Gasser So., 23.10.2022 - 12:18

Was mich etwas verwundert, niemand spricht an, was das wirklich schlimme ist. Es gibt kein Koalitionsvereinbarungen, oder weiss jemand etwas über die Programme und Ziele der neuen Regierung? Ich habe bisher nur über Personalien reden hören, nie über Programme.

So., 23.10.2022 - 12:18 Permalink
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Hartmuth Staffler So., 23.10.2022 - 15:45

Das allerschlimmste an dieser neuen Regierung ist wohl die ultrakatholische Ministerin für "Familie und Natalität". Sie will die Frauen wieder an den Herd schicken, damit sie möglichst viele Kinder zum Wohle und zur Größe der Nation produzieren. Kein Wunder, dass die italienischen Bischöfe die ersten waren, die der neuen Ministerpräsidentin gratuliert haben. Sie sehnen wohl wieder die Zeiten des Konkordates mit Mussolini zurück, als die italienischen Bischöfe aus lauter Freude über die ihnen von Mussolini gewährten Privilegien auch seine Massenmorde befürwortet und sogar noch mit finanziert haben (giornata della fede!).

So., 23.10.2022 - 15:45 Permalink
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Dietmar Nußbaumer So., 23.10.2022 - 20:04

Wird den Exodus der Jungen und die niedrige Geburtenrate auch nicht aufhalten, nicht einmal mitsamt dem Segen von diesem Verein. Hilfreicher wäre ein Italien, dessen Volkswirtschaft in Ordnung ist und in dem jeder der arbeitet in Würde leben kann.

So., 23.10.2022 - 20:04 Permalink
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Karl Trojer Mo., 24.10.2022 - 07:49

Anders als Berlusconi und Salvini, habe ich von Giorgia Meloni den Eindruck, dass sie authentisch und fair ist. Auch scheint mir das von ihr in den letzten Tagen mitgeteilte Vorhaben kurz, bündig und klar im Sinne des Gemeinwohls zu legen. Möge sie zeigen können, was sie drauf hat.
Wer ihr den Mussolini unterschiebt, möge sich an unser eigene Geschichte erinnern : wie sehr hat Südtirol "heim ins Reich gerufen" und wieviele ehemalige Nazis haben nahc 1945 demokratisch hochrangige Posten erhalten...

Mo., 24.10.2022 - 07:49 Permalink
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M A Mo., 24.10.2022 - 10:55

Den Posten des "Reformenministers" mit dem ältesten Regierungsmitglied zu besetzen (76 Jahre) kommt einem nicht spontan...?

Mo., 24.10.2022 - 10:55 Permalink