Wirtschaft | Fleisch

Der Corona-Speck

Der deutsche Schlachtriese Tönnies, bei dem über 1.300 Arbeiter Corona infiziert sind, ist auch einer der größten Zulieferer der Südtiroler Speckindustrie. Update.
Speck
Foto: Othmar Seehauser
Es war wieder einmal Markus Wilhelm, der den Konzern in Verlegenheit gebracht hat. Der Tiroler Blogger veröffentlichte vor wenigen Tagen auf seiner Enthüllungsplattform „dietiwag.org“ ein Foto, das mehr sagt als tausend Worte.
Das Foto zeigt einen Sattelschlepper des deutschen Schlachtriesen Tönnies auf dem Gelände der Tiroler Großmarktkette M-Preis in Völs bei Innsbruck. Der Fleischproduzent Tönnies in Rheda-Wiedenbrück, einer der größten Schlachhöfe in Deutschland, ist seit vergangener Woche weltweit in die Schlagzeilen geraten. Der Grund: 1.331 Arbeiter und Arbeiterinnen sind positiv auf Corona getestet worden. Seit Tagen wurde deshalb die gesamte Tönnies-Belegschaft unter Quarantäne gestellt.
 
 
M-Preis reagierte umgehend auf das Foto, das deutlich macht, dass Tönnies Fleisch auch in seinen Filialen in Südtirol verkauft wird. Offiziell kommt das Fleisch von M-Preis aus der Tiroler Alpenmetzgerei. Doch wie sich jetzt zeigt, gehört der deutsche Schlachtriese aus Nordrhein-Westfalen zu den wichtigsten Zulieferern der aufstrebenden Tiroler Supermarktkette.
Die Unternehmensführung von M-Preis reagierte umgehend auf die Enthüllung. In einer Stellungnahme erklärte das Unternehmen: „Für die Wurstproduktion wird neben österreichischem Fleisch auch qualitätsgeprüftes Fleisch aus Deutschland verwendet, hier war die Firma Tönnies einer der Lieferanten. Die Firma Tönnies wurde letzte Woche als Lieferant gesperrt”.
 

Schweine aus Gütersloh

 
Jetzt aber hat RAI Südtirol eine weitere Nachricht ausgegraben, die auf die meisten Südtiroler Konsumenten wie ein Schock wirken dürfte. Laut der Recherche des RAI-Journalisten Lukas Bertagnolli kommen rund 6 Prozent des Fleisches für Südtiroler Speck aus dem vom Corona betroffenen Hauptschlachthof von Tönnies.
Allein in den ersten fünf Monaten des laufenden Jahres seien 175.788 Schweineschlegel aus Gütersloh nach Südtirol geliefert worden. Der deutsche Schlachthof, der mit der „Tönnies Fleisch Italia Srl“ in Vignola bei Modena auch eine italienische Tochter hat, gehört damit zu den wichtigsten Zulieferern der Südtiroler Speckindustrie.
Bereits vor vier Jahre hatte das Südtiroler Wochenmagazin FF die Hintergründe der Fleischlieferungen detailliert nachgezeichnet.
 
 
Die Südtiroler Speckindustrie produziert demnach weit über 7 Millionen Hammen Speck im Jahr. Um sieben Millionen Hammen Speck zu machen, braucht es 3,5 Millionen Schweine. In Südtirol werden nur etwa 8.500 Schweine gehalten. Der Rest muss importiert werden. Die Schweine kommen  Aus Deutschland (68 Prozent), Holland (15), Österreich (8), dem übrigen Italien (6) und anderen Ländern (3).
Es ist der Punkt an dem sich der Schweineschlachter Tönnies und die Südtiroler Speckhersteller treffen. Tönnies ist einer der größten Rohstofflieferanten für den Südtiroler Speck. Laut FF-Recherche finden sich unter den sechs größten Schlachtbetrieben, die ihre Ware nach Südtirol liefern, gleich drei Unternehmen der Tönnies-Gruppe: die Tönnies Fleischwerk GmbH, der Tönnies Zerlegebetrieb GmbH und die Weidemark Fleischwaren GmbH gleich drei Unternehmen der Tönnies-Gruppe.
RAI-Südtirol hat jetzt beim Direktor des Südtiroler Speck Konsortiums Matthias Messner, nachgefragt. „Die Südtiroler Speck-Produzenten kaufen jetzt das Schweinefleisch von anderswo“, sagt Messner, „Engpass bei der Lieferung gibt es keinen."
Doch davon sollten die Speckesser eigentlich nichts erfahren.

Das Südtiroler Speckkonsortium hat uns am Dienstag 23.6.2020 um 13.19 Uhr folgende "Richtigstellung"  zukommen lassen, die wir gerne veröffentlichen.

 

Sehr geehrter Herr Franceschini,

wir haben Ihren Artikel „Der Corona-Speck“ gelesen und möchten folgendes klarstellen:
  • Das Bundesinstitut für Risikobewertung haben bestätigt, dass es keine Hinweise gibt, dass es durch den Verzehr von Lebensmitteln, wie Fleisch und daraus hergestellten Produkten zu einer Infektion des Menschen kommt. Der Titel „Corona-Speck“ ist aus unserer Sicht Rufschädigung und verschafft den Eindruck, dass der Verzehr von Speck mit einer Infektion des Corona-Virus zusammenhängen kann. Wir ersuchen Sie um unverzügliche Richtigstellung des Titels und halten uns das Recht vor, weitere rechtliche Schritte in die Wege zu leiten.
  • Für fundierte Recherchen stehen wir Ihnen jederzeit offen gegenüber. Sie können uns gerne kontaktieren und wir werden im Gespräch mit Ihnen die Fakten offenlegen mit dem Ziel, dass sie aktuelle Informationen veröffentlichen können. Dass Tönnies der größte Lieferant von Südtiroler Speck, ist eine Erfindung und entspricht nicht den aktuellen Zahlen.
Matthias Messner
Leiter Südtiroler Speck Konsortium 

 

Sehr geehrter Herr Messner,

Im Vorspann hatte sich durch die Verkürzung ein sinnstörender Fehler eingeschlichen. Im Text steht dann auch "Tönnies ist einer der größten Rohstofflieferanten für den Südtiroler Speck". Ich habe den Vorspann nach ihrem Einwand deshalb daran angepasst. Salto.bz ist immer zum Gespräch bereit, deshalb nehme ich gerne ihr Angebot an. Nur mit Verlaub über die Titel der Artikel entscheidet immer noch die Redaktion und nicht das Südtiroler Speckkonsortium.

 

Christoph Franceschini

 

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alfred frei Di., 23.06.2020 - 11:54

In Erwartung einer Stellungnahme des Südtiroler Schützenbundes eine Frage an die Bundesleitung: gehört die Reinheit und Echtheit des Südtiroler Specks zur Identitätserhaltung Tirols ?

Di., 23.06.2020 - 11:54 Permalink
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Hartmuth Staffler Di., 23.06.2020 - 16:39

Antwort auf von alfred frei

Warum nicht auch die Stellungnahme des Briefmarken- und Münzentauschklubs abwarten? Die haben mit Speck genau so viel zu tun wie die Schützen. Dass der Südtiroler Speck nicht von Südtiroler Schweinen stammt, ist ja seit jeher bekannt. Früher hat man die Schweine vor allem aus der DDR importiert, so dass die DDR-Bürger Fleisch bald nur noch vom Hörensagen kannten. Man kauft dort ein, wo es am billigsten ist, um teuren Südtiroler Speck daraus zu machen. So lange man Dumme findet, die das kaufen, ist daran wohl nichts auszusetzen.

Di., 23.06.2020 - 16:39 Permalink
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S. Bernhard Di., 23.06.2020 - 13:31

Ist doch toll wenn man irgendein "Glump" (andere Bezeichnung hat so ein Produkt nicht verdient) billig einkaufen und dann als "Südtiroler Speck" teuer verkaufen kann. Schade, dass man doch nicht alles vertuschen kann.

Di., 23.06.2020 - 13:31 Permalink
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gorgias Di., 23.06.2020 - 20:38

Antwort auf von S. Bernhard

"Südtiroler Speck" weisst auf den Herstellungsprozess hin und nicht auf die Fleischqualität oder wie Fair dieses Produkt hergestllt wurde.

Eigentlich ist es schon absurd. Wir brauchen fast schon ein Fair-Herstellungssiegel für EU-Herstellungstätten und nicht nur für Kaffe und fast fashion aus "armen Ländern" aus dem EU-Ausland.

Di., 23.06.2020 - 20:38 Permalink
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Andreas Mozzelin Di., 23.06.2020 - 21:14

In Aicha gibt es einen Biobauer mit Freiland Truthähnen. Die meisten winken ab, weil sie den 20 Euro Kilopreis als zu hoch bewerten.

Di., 23.06.2020 - 21:14 Permalink
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Profil für Benutzer Andreas Mozzelin
Andreas Mozzelin Mi., 24.06.2020 - 22:47

Erstaunlich, dass einem Konsortiums, das eine Wertschöpfung von ca 280 Millionen Euro vertritt (7 Mln Hameln x 4kg x 10€) nach langem Überlegen nur 1 Argument einfällt:
Unsere geschätzten Kunden sind eher nicht in der Lage zwischen infiziertem Fleisch und infizierten Mitarbeitern zu unterscheiden.

Mi., 24.06.2020 - 22:47 Permalink
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Johann Georg B… Sa., 27.06.2020 - 15:36

An alle Kommentarschreiber,ihr habt den wahren Sinn nicht verstanden, bei Tönnis geht es nicht um das Fleisch sondern um die Arbeitsbedingungen und Wohnverhältnisse der Arbeiter.
Das Fleisch ist ok.

Sa., 27.06.2020 - 15:36 Permalink
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Hartmuth Staffler So., 28.06.2020 - 16:00

Antwort auf von Johann Georg B…

Ein Thema sind die katastrophalen Arbeitsbedingungen in den Fleischfabriken. Ein anderes Thema ist aber, dass die aus Gründen der Rationalisierung des Schlachtvorganges vorangetriebene Massentierhaltung dem Tierwohl und damit der Fleischqualität sehr abträglich ist. Es gibt in Deutschland nur noch wenige Riesenschlachthöfe. Das heißt dass die zu schlachtenden Tiere über immer größere Distanzen lebend oder halblebend transportiert werden müssen, mit extremen Stress für die Tiere und entsprechendem Qualitätsverlust des Fleisches. Da die wenigen Schlachthöhe die Preise diktieren können, ist auch die Aufzucht der Tiere unter extremen Preisdruck immer miserabler geworden. Dieses Fleisch, aus dem der Südtiroler Speck gemacht wird, ist zwar gerade noch genießbar, aber es ist nicht ok.

So., 28.06.2020 - 16:00 Permalink
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Johann Georg B… Di., 30.06.2020 - 16:39

Das Scheinefleisch aus Deutschland ist ok, da fehlt nichts,nur gibt es Personen welche den Text nicht verstehen,das ist das Problem und von anderen wird es zur Verunsicherung der Verbraucher verwendet,alles Blödsinn.
Fleisch zu produzieren schadet der Umwelt weniger als Getreide oder Maisanbau.

Di., 30.06.2020 - 16:39 Permalink