Politik | Interview

"Ich bin eher eine Idealistin"

Die Bürgermeisterkandidatin der Meraner SVP, Katharina Zeller, spricht über die Erneuerung der Partei, Bürgernähe, Sicherheit und den Pragmatismus der SVP.
Katharina Zeller
Foto: Salto.bz

Die Meraner SVP setzt bei den erneuten Gemeinderatswahlen im Herbst auf die 34-jährige Anwältin Katharina Zeller. Die Entscheidung, die am Donnerstagmorgen offiziell bekannt gegeben wurde, folgt auf den Misserfolg der SVP bei den Gemeinderatswahlen im letzten Jahr. Die Wahlen endeten in gescheiterten Koalitionsgesprächen unter der Leitung des wiedergewählten Bürgermeisters Paul Rösch und einer kommissarischen Verwaltung. Zeller ist Tochter der SVP-Senatorin Julia Unterberger und des ehemaligen Senators Karl Zeller und seit Februar Stadtkomitee-Obfrau der SVP in Meran. Nun betritt sie als Bürgermeisterkandidatin die politische Bühne.

 

Salto.bz: Frau Zeller, bei den Meraner Gemeinderatswahlen im letzten Herbst legte die SVP eine Bauchlandung hin. Von Ihnen wird erwartet, frischen Wind in die Partei zu bringen. Ist das gelungen?

Katharina Zeller: Ja, das ist sehr gut gelungen. Wir haben uns unmittelbar nach den letzten Wahlen aktiviert, weil wir gesehen haben, dass es so nicht weitergehen kann. Ich war selbst auch sehr verdrossen. Dementsprechend hat sich ein junges Team formiert, das es sich zum Ziel gesetzt hat, die Partei grundlegend zu erneuern. Das heißt nicht nur neue Gesichter, sondern vor allem auch eine neue Linie, eine neue Art und Weise, Politik zu machen. Es geht uns darum, das Vertrauen der Menschen vor Ort, der Parteimitglieder, der Stammwähler wiederaufzubauen. Es muss um die Sache, die Stadt selbst gehen, nicht um Machtkämpfe zwischen den Parteien. Ich bin froh, dass wir so viele junge Menschen gefunden haben, die in die Politik einsteigen möchten und denen es wirklich darum geht, etwas für unsere Stadt zu tun. 

Wie hat die alte Parteigarde ihre Kandidatur, aber auch ihren Einsatz in der Partei aufgenommen? 

Die alte Garde ist zurückgetreten und hat somit die Erneuerung erst ermöglicht. Ich glaube, wir haben sie mit unserer Arbeit und unserem Einsatz davon überzeugen können, dass das, was wir machen, gut ist. Sie glauben alle an dieses Projekt und stehen unterstützend hinter uns.

 

Manche dachten, dass wir einen Bruch erzwingen wollen. Das ist absolut nicht der Fall.

 

Wo liegen Sie die Differenzen, die überwunden werden mussten, um diese Erneuerung zu schaffen? 

Manche waren etwas skeptisch, weil sie dachten, dass wir einen Bruch erzwingen wollen. Das ist absolut nicht der Fall. Wir wollen geeint weitergehen, aber sowohl der Politik als auch der Partei selbst tut ein Generationswechsel gut.

Kein Bruch also, aber doch… 

Eine Erneuerung. Bereits bei den letzten Wahlen waren sehr viele Neue auf der Liste. Man hatte aber das Gefühl, dass es im Hintergrund jemanden gibt, der die Entscheidungen trifft. Wir wollen uns von diesem Eindruck lösen und die basisdemokratische Struktur der Partei aufleben lassen.

Wie versucht man diesen Kontakt zu den Bürgern herzustellen? 

Wir müssen greifbar und präsent sein, auf die Menschen zugehen und ihnen zuhören. Es geht nicht nur darum, unsere Ideen umzusetzen, sondern vor allem darum, zuzuhören und zu verstehen, was die Anliegen und Bedürfnisse der Menschen vor Ort sind.

Was sind denn beispielsweise die Bedürfnisse der jungen Menschen in Meran? 

Es geht darum, die Stadt lebendiger zu machen, mehr Angebot für junge Menschen zu schaffen und ihnen auch eine stärkere Stimme zu verleihen. Dafür trete ich natürlich ein. Die Jugend soll aber auch den öffentlichen Raum nutzen können und Sperrstunden und Einschränkungen bei Veranstaltungen könnten vor allem im Stadtzentrum weniger restriktiv gehandhabt werden. Sie töten die Stimmung ab und außerdem tritt ab dem Moment, in dem kein Leben mehr in der Stadt ist, auch das Sicherheitsproblem stärker zum Vorschein.

Beißen sich diese Ziele nicht mit den Erwartungen und Bedürfnissen der älteren Generationen? 

Natürlich wollen wir kein riesen Chaos in den Wohnvierteln veranstalten, aber vor allem im Stadtzentrum und auch in anderen Orten müssen Begegnung und die Nutzung des öffentlichen Raums ermöglicht werden. Junge Menschen müssen sein, feiern und tun dürfen, was ihnen Spaß macht.

Eine andere wichtige Bruchlinie in Meran ist die Sprachgruppenzugehörigkeit. Wie versucht die SVP auch die italienischsprachige Bevölkerung anszuprechen? 

Ich denke, dass die Menschen im Grunde alle die gleichen Bedürfnisse haben, unabhängig von ihrer Sprachgruppenzugehörigkeit. Die Unterschiede, die es gibt, würde ich eher den einzelnen Stadtvierteln als der Sprachgruppenzugehörigkeit zuschreiben.

 

Ich habe keine Angst, mir die Finger zu verbrennen oder etwas zu verlieren. Absolut nicht.

 

Meran wurde nun fast ein Jahr lang kommissarisch verwaltet. Wie blicken sie auf dieses Jahr zurück?

Vieles ist Schwieriger geworden. In diesem letzten Jahr unter der kommissarischen Verwaltung ist Meran noch mehr stillgestanden als vorher schon. Deshalb war es für mich auch ein großer Fehler, diese kommissarische Verwaltung überhaupt zuzulassen. So weit hätte es nie kommen dürfen. 

Das heißt, die SVP hätte bei den letzten Wahlen im Herbst einen Schritt zurücktreten sollen, um eine Regierungsbildung zu ermöglichen?

Man kann hier nicht nur der SVP die Schuld zuschieben. Alle waren beteiligt und jeder wollte seinen eigenen sturen Kopf durchsetzen. Das Ergebnis war dementsprechend.

Welche Themen wurden während der kommissarischen Verwaltung vernachlässigt? 

Das Thema Sicherheit muss ernst genommen werden, auch wenn es ein komplexes und schwieriges Thema ist. Es geht nicht darum, mit dem Finger auf gewisse Bevölkerungsgruppen zu zeigen, aber ich sehe es als Grundrecht der Bürgerinnen und Bürger, sich im öffentlichen Raum sicher fühlen zu können.

Meran hat also ein Sicherheitsproblem? 

Ja, wir sehen es immer wieder: Schlägereien, Prostitution am Praderplatz, Messerstechereien im Bahnhofspark.

Wie wollen Sie dagegen ansteuern? 

Es geht in erster Linie darum, Präventionsarbeit zu leisten, diese wurde teilweise versäumt. Um das Sicherheitsproblem an sich anzupacken, müssen dann einerseits die Ordnungskräfte besser miteinander vernetzt werden. Andererseits müssen Institutionen wie Streetworker und andere, die in diesem Bereich tätig sind, an den Tisch geholt werden und mitreden. Auch die Staatspolizei muss aufgerüstet werden. Wir hören immer wieder, dass Bürgerinnen und Bürger die Polizei rufen und keiner kommt. So verlieren die Menschen das Vertrauen in die Sicherheitskräfte. Das gilt es zu verhindern. Je weniger Anzeigen, desto weniger sichtbar ist das Sicherheitsproblem und desto schwieriger ist es, dagegen anzukämpfen.

Welches Thema ist Ihnen persönlich wichtig?

Die Gemeindeverwaltung muss optimiert und modernisiert werden. Sie muss eine serviceorientierte Dienstleistungsstelle darstellen, an die sich die Bürgerinnen und Bürger wenden können, ohne das Gefühl zu haben, in ein feindliches Haus zu treten, das den Menschen nicht nur nicht weiterhilft, sondern noch dazu Steine in den Weg legt. Zudem muss das Thema Klimaschutz parteiübergreifend von allen angegangen und ernst genommen werden. Und das Frauenthema liegt mir sehr am Herzen. 

Der Klimaschutz ist das Aushängeschild der Liste Rösch/ Grüne – glauben Sie, dass die SVP mit ihnen konkurrieren kann?

Beim Thema Klimaschutz darf es kein Konkurrenzdenken geben, sondern es muss gemeinsam angepackt und von allen ernst- und wahrgenommen werden. Die Grünen haben hier sicherlich einen Vorsprung, in einer modernen Volkspartei muss Klimaschutz aber genauso ganz oben auf der Agenda stehen.

Das heißt Sie sind in diesem Punkt auf einer Linie mit den Grünen?

Wir müssen hier sicher zusammenarbeiten.

 

In einer modernen Volkspartei muss Klimaschutz ganz oben auf der Agenda stehen.

 

Auf Landesebene koaliert die SVP mit der Lega. Sie haben sich schon vor einiger Zeit gegen eine solche Koalition in Meran ausgesprochen. Stehen Sie noch immer zu dieser Position? 

Es geht uns in erster Linie um die Inhalte und auch der Wählerwille muss respektiert werden. Die Zusammenarbeit werden wir mit allen suchen. Bedenken habe ich bei all jenen Parteien, die extreme Positionen haben, weil das mit unserer Linie nicht übereinstimmt. Ich denke hier vor allem an die Parteien, die rechtsaußen stehen, Lega und Fratelli d’Italia sind natürlich mitgemeint. Wir können diese Entscheidung aber nicht treffen. Es ist eine Entscheidung, die die Wählerinnen und Wähler treffen müssen. Es kann nicht sein, dass eine Regierung nicht zustande kommt, weil man nicht will. Wir hoffen natürlich, dass wir nicht vor diese Option gestellt werden.

Mit Christoph Mitterhofer steht ein ehemaliges Parteimitglied der Südtiroler Freiheit als unabhängiger Kandidat auf der Liste der SVP. Ist das die Heterogenität, die Sie sich für Ihre Partei wünschen? 

Es hat sehr ausführliche Gespräche mit Christoph Mitterhofer gegeben und wir haben klar kommuniziert, dass es keinen Platz für eine extreme Linie gibt. Mir ist es aber wichtig, dass der Charakter der Sammelpartei wieder mehr zum Vorschein kommt. Die konservative Linie von Christoph Mitterhofer, die Heimatverbundenheit und die Wahrung von Tradition hat in unserer Partei absolut Platz. 

Auch mit Ihnen als Bürgermeisterin? 

Natürlich. Die Gesellschaft ist sehr bunt und vielfältig. Dementsprechend soll auch unsere Partei aufgebaut sein – ohne extreme Positionen natürlich.

Wie steht eigentlich Ihr Vater, der ehemalige SVP-Senator Karl Zeller zu Ihrer Bürgermeisterkandidatur?

Das habe ich ihn nie direkt gefragt. Ich bin keine, die ihre Eltern um Erlaubnis fragt, um Dinge zu tun. Mit meinem Vater hat es am Anfang ein Gespräch gegeben, bei dem wir so zusammengekracht sind, dass wir kaum noch darüber gesprochen haben. Ich glaube nicht, dass er von meiner Kandidatur besonders begeistert ist. Auch deshalb nicht, weil wir in gewissen Dingen sehr verschieden sind. Ich bin eher eine Idealistin und er ein Stratege. Mir geht es nicht um Strategien, sondern darum, etwas für die Stadt zu tun. Und ich habe auch keine Angst, mir dabei die Finger zu verbrennen oder etwas zu verlieren. Absolut nicht.

 

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Lollo Rosso So., 01.08.2021 - 12:26

Ich wünsche ihr Glück und hoffe sie schafft's! Mit ihr können auch die Grünen glücklich sein, Einstellung und Engagement sind da!

So., 01.08.2021 - 12:26 Permalink
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Profil für Benutzer △rtim post
△rtim post Mo., 02.08.2021 - 07:14

Ich vertraue der Jugend. Der Frust der (alten) Salon-Grünen in ihren Kommentaren hier ist wohl mehr als verständlich. Was wurde da nicht alles medienwirksam gegen die SVP vorgebracht und polemisiert.
Nur selbst hat man es leider verabsaümt, sich aus der Geiselhaft der Liste der Person R und deren Feunderlwirtschaft zu lösen und mit einer jüngeren, unbelasteten Madeleine Rohrer als BM-Kandidatin anzutreten.

Mo., 02.08.2021 - 07:14 Permalink
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Peter Gasser Mo., 02.08.2021 - 10:49

Antwort auf von Felix von Wohlgemuth

Ich finde dieses manipulative “Hetzen” und Spalten mit klassischen Bots einer Partei (hier offensichtlich der SVP) für unwürdig.
Die SVP könnte/sollte das tunlichst abstellen.
Salto auch.
Fakten, Meinung, Diskussion: ja
Hetzen und Spalten mit anonymen Bots: nein - ich wünsche mir, dass salto sich das auch zu eigen macht.

Mo., 02.08.2021 - 10:49 Permalink