Politik | Staatsbürgerschaft

Vom Nicht-Thema zum Weltuntergang

Oder wie die befürchtete Spaltung der Gesellschaft auch ohne Doppelpass zur selbsterfüllenden Prophezeiung wird.
Hinweis: Dieser Artikel ist ein Beitrag der Community und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.
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Ich habe mir fest vorgenommen, mich aus dem Thema "österreichische Staatsbürgerschaft für Südtiroler" weitestgehend rauszuhalten, weil ich es für kein vordringliches halte. Ich persönlich halte die Angelegenheit eigentlich für ein "Nicht-Thema", wenngleich ich niemandem absprechen möchte, sich auf demokratischem Wege für etwas einzusetzen, das ihm/ihr wichtig ist. Jeder hat das Recht dazu und es liegt nicht an mir, zu beurteilen bzw. vorzuschreiben, welchen Stellenwert eine Agenda für jemand anders haben muss. Ich habe aber auch das Recht zu sagen, dass mir dieser Einsatz weder für mich persönlich noch für die Gesellschaft zielführend erscheint. Wenn der gegenteilige Eindruck aber bei einer kritischen Masse gegeben ist (was auf eine Landtagsmehrheit zutrifft), dann ist das zu akzeptieren.

Zugegeben, ich habe leicht reden, denn zum einen bin ich selbst Träger des "gefährlichen Spaltpilzes" - sprich der österreichischen Staatsbürgerschaft - und zum anderen sind meine Kinder bereits jetzt Doppelstaatsbürger. Ich hoffe nur nicht, dass eine etwaige Entscheidung für die eine oder andere Staatsbürgerschaft, die sie vielleicht mit 18 Jahren treffen müssen, sie und mit ihnen gleich ganz Südtirol zerreißt. #ironieoff

Die Diskussion scheint mir nämlich völlig aus den Fugen geraten zu sein und Kommentatoren überbieten sich im Ausmalen von Horrorszenarien, welche eine meines Erachtens einigermaßen belanglose Entscheidung angeblich auszulösen imstande wäre. Ich möchte an dieser Stelle auch nicht zum Thema selbst, sondern zur Diskussion Stellung beziehen. Denn das Problem ist nicht die Umsetzung oder Nicht-Umsetzung dieses Vorhabens, sondern vielmehr die Art und Weise, wie hierzulande Diskussionen dieser Art geführt werden und auf welchem Niveau „Argumentation“ stattfindet.

Es tut mir leid, dass ich jetzt ein Stereotyp bedienen muss, aber es ist irgendwie typisch Südtirol: Man sieht sich wieder einmal als der Nabel der Welt, an dem Dinge, die andernorts völlig unspektakulär vonstattengehen, fast notwendigerweise zu bürgerkriegsähnlichen Zuständen führen müssen, weil man ja so speziell ist. Untergangsszenarien werden heraufbeschworen für etwas, dem allein nur durch die Art der Diskussion Sprengkraft angediehen wird. Das Thema selber ist harmlos. Es gibt kaum praktischen (abgesehen von ein paar Dingen) und fast nur ideellen Nutzen (der individuell legitim ist). Wobei das "Nutzen-Argument" ohnehin ein zweischneidiges ist. Heben die Befürworter der Doppelstaatsbürgerschaft den Nutzen (Wahlrecht, deutschsprachige diplomatische Vertretung/Botschaft im Ausland, Vorteile an Universitäten als "Innländer" usw.) hervor, werden sie sofort als Opportunisten und Rosinenpicker bezeichnet. Streichen sie hingegen keinen praktischen Nutzen heraus, wird der Mangel an solchem als Gegenargument gebracht: "Was soll das dann bringen?“ Eine echte Lose-lose-Situation.

Die Diskussion erinnert mich ein wenig an jene zur Homoehe. Da haben auch jene am lautesten protestiert, dass das nicht sein könne, die es gar nicht betrifft. Niemandem wird etwas genommen. Und die, die es wollen, bekommen etwas dazu. Dennoch habe ich den Eindruck, dass die, die gar keinen zweiten Pass beantragen wollen, auch nicht wollen, dass andere das tun können. Warum?

Grundsätzlich stehe ich dem Ansinnen "Doppelstaatsbürgerschaft" skeptisch bis ablehnend gegenüber*, da es aus inhärent nationalistischen Motiven heraus angestrebt wird. Wobei das eigentlich paradox ist, denn das Konzept der Doppelstaatsbürgerschaft an sich ist das antinationalistischste überhaupt. In der Logik eines echten Nationalisten kann man nämlich nur Teil einer und nicht mehrerer Nationen sein. Auch erlaubt einem die Doppelstaatsbürgerschaft das Sowohl-als-auch und nicht bloß das Entweder-oder. Pluriidentitär zu sein heißt in letzter Konsequenz antinationalistisch zu sein. Und sollte das Kriterium für einen möglichen Verleih – das wir noch nicht kennen - historisch und nicht ethnisch sein, sprich alle ehemaligen österreichischen Staatsbürger und ihre Nachkommen, die ihre österreichische Staatsbürgerschaft unfreiwillig verloren haben – egal welcher Muttersprache – betreffen, dann wäre das Unterfangen streng genommen gar nicht einmal nationalistisch motiviert.

Am Ende entscheidet jedenfalls Österreich - und Österreich allein - wem es seine Staatsbürgerschaft zuerkennen möchte und wem nicht. Das hält die Diskutanten in Südtirol aber nicht davon ab, die abstrusesten Argumente ins Treffen zu führen.

Die Entscheidung für oder gegen die österreichische Staatsbürgerschaft wäre eine neue Option.

Diese Verharmlosung nazi-faschistischer Verbrechen an der Südtiroler Gesellschaft ist jeden Kommentars unwürdig. Umgelegt auf die Selbstbestimmung ist hier bereits alles gesagt.

Eine derartige Regelung würde die guten Beziehungen zwischen Österreich und Italien aufs Spiel setzen.

Meines Wissens gibt es in 26 von 28 EU-Staaten Regelungen, die Doppelstaatsbürgerschaften in irgendeiner Art vorsehen. Österreich ist eines der zwei Länder, die sehr rigide sind, was doppelte Staatszugehörigkeit betrifft und wo die Annahme einer anderen Staatsbürgerschaft automatisch zum Verlust der österreichischen führt. Grundsätzlich basiert die zwischenstaatliche Zusammenarbeit auf Gegenseitigkeit. Warum also sollte Italien "verschnupft" sein, wenn Österreich eine Regelung einführt, die Italien selbst unter den EU-Staaten wohl am exzessivsten betreibt? Italien verleiht den italienischsprachigen Bürgern Istriens, ja sogar Leuten, deren Vorfahren im 19. Jahrhundert von Italien (freiwillig) nach Argentinien ausgewandert sind, ohne weiteres zusätzlich die italienische Staatsbürgerschaft. Die Auslandsitaliener haben bei staatsweiten Wahlen sogar mehrere eigene Wahlkreise! Italiens Motivation diesbezüglich ist freilich von einem übersteigerten Nationalismus geprägt und ich halte es wohlgemerkt nicht für zielführend, wenn Österreich da mitzieht. Aber als Gegenargument taugt die Sache nicht.

Wenn Österreich den Südtirolern die Staatsbürgerschaft zuerkennt, müsste es diese auch den Tschechen, Slowaken, Ungarn und allen anderen Bewohnern der Habsburgermonarchie zuerkennen.

Nein. Müsste es nicht. Österreich kann das regeln, wie es möchte. Zudem haben Ungarn und Tschechen - wenn man die nationale Logik weiterführt - nach dem Zusammenbruch der Monarchie ja letztendlich eigene Nationalstaaten gebildet. Der Unterschied zu Südtirol ist, dass es unfreiwillig im falschen Nationalstaat gelandet ist - wie gesagt, wenn man in nationalen Kategorien denken würde.

Die FPÖ spricht sich vehement gegen eine Doppelstaatsbürgerschaft türkischstämmiger Menschen in Österreich aus, fordert sie aber gleichzeitig für die Südtiroler. Das ist widersprüchlich.

Nein, ist es nicht. Ich lehne die Politik der FPÖ ab, wie man weiß, aber ihr da eine Widersprüchlichkeit anzudichten, ist unsinnig. Die Türken in Österreich haben sich freiwillig für Österreich entschieden. Südtirolern wurde ihre Staatszugehörigkeit unfreiwillig genommen. Da ist ein kleiner Unterschied – nicht bloß dann, wenn man wie die FPÖ eine nationalistische Logik, die mir nicht gefällt, anwendet. Widerspruch gibt es in dieser Haltung somit keinen.

Die Südtiroler waren nie Staatsbürger einer österreichischen Republik und die, die Bürger der Monarchie waren, sind schon alle tot.

Zum einen - wenn ich richtig informiert bin - waren die Südtiroler für kurze Zeit nach Kriegsende bis zur Annexion durch Italien Bürger Restösterreichs. Und zum anderen könnte man die Verleihung der Staatsbürgerschaft auch als eine Art historische Kompensation sehen, wie sie in Artikel 116 des deutschen Grundgesetzes zum Ausdruck kommt. Dort ist nämlich geregelt, dass diejenigen und deren Nachfahren (!), die zwischen 1933 und 1945 die deutsche Staatsbürgerschaft unfreiwillig verloren haben (vertriebene Juden usw.), Anspruch darauf haben. Für Südtirol könnte man ähnliche Kriterien festlegen und die Verleihung der österreichsichen Staatsbürgerschaft auch an die Nachfahren der ehemaligen österreichischen Staatsbürger (freilich nur für jene, die das möchten) als symbolischen Akt und eine Art Kompensation für den faschistischen Zwang, der nicht nur die Aufgabe der Staatsbürgerschaft, sondern auch der Staatszugehörigkeit des gesamten Gebietes vorsah, verstehen.

Haben wir denn keine wichtigeren Probleme?

siehe FAQ C1

Wenn nicht alle in Südtirol lebenden Menschen in den Genuss dieses Rechtes kommen, wäre das eine Ungleichbehandlung, die zu einer Spaltung der Gesellschaft führt. Wir hätten dann Südtiroler erster und zweiter Klasse.

Geht es auch eine Nummer kleiner? Rechtstitel sind immer an gewisse Voraussetzungen und Kriterien, die man erfüllen muss, gebunden. Proporz und Frauenquoten wären dieser Logik folgend auch Ungleichbehandlungen und Ausdruck einer Zweiklassengesellschaft. Zudem gibt es bereits jetzt tausende Doppelstaatsbürger in Südtirol, die Voraussetzungen erfüllen, die andere nie erfüllen werden können (z. B. Elternteile mit zwei unterschiedlichen Staatsbürgerschaften zu haben). Zu einer Spaltung der Gesellschaft haben diese Bürger meines Wissens bislang noch nicht geführt. Sie sind vielmehr überhaupt nicht aufgefallen.

Als Staatsbürger müssten die männlichen Südtiroler zum österreichischen Bundesheer.

Nein. Es ist zwar jeder männliche Staatsbürger stellungs- und wehrpflichtig. Aber jene, die dauerhaft im Ausland leben, werden nicht zum Wehrdienst eingezogen. Außerdem gibt es alternativ den Zivildienst.

Die Doppelstaatsbürgerschaft ist rechtlich nicht möglich.

"Rechtlich nicht möglich" ist Firlefanz. Natürlich ist es rechtlich möglich, wenn der politische Wille dafür gegeben ist – schließlich wird das Recht durch den demokratischen Willen (der Legislative) bestimmt und geformt.

Die Doppelstaatsbürgerschaft ist unrealistisch.

Mein Lieblingsargument, das meist mit obigem im Paarlauf auftritt. Realismus ist keine politische Kategorie, wie ich immer zu sagen pflege. Wir wissen zwar noch nicht, ob Österreich diese Regelung einführt, aber es gibt zumindest eine starke Willensbekundung der zukünftigen Regierungsparteien. Immer wenn solch "unrealistische" Dinge passieren - und das ist gar nicht so selten - krame ich gerne alte Zeitungsartikel heraus.

So hat zum Beispiel Salto die Angelegenheit schon vor zwei Jahren definitiv zu Grabe getragen:

Gnadenstoß für den Doppelpass
Die doppelte Staatsbürgerschaft steht vor dem definitiven Aus. 

Auch der Kammerabgeordnete Florian Kronbichler meldete sich mit einer doppelt präzisen Prognose zu Wort:

Andreas Khol hat es letzte Woche schon ausgesprochen: Er hat gesagt, das Ding mit der Doppelstaatsbürgerschaft ist Unfug, unnütz, unrealistisch, gefährlich. So lang haben wir geeiert. Und so lang haben es auch die Höchstverantwortlichen im Land, auch der Landeshauptmann, treiben lassen. Nicht einmal der Landeshauptmann, der selbst dagegen ist, hatte die Schneid, offen zu sagen: aufhören mit der Forderung nach Doppelstaatsbürgerschaft! Jetzt hat es der Mann sagen müssen, der wahrscheinlich nächster österreichischer Bundespräsident wird. Danke, Herr Khol.

Kronbichler spricht von jenem Andreas Khol, der mit 11,12 Prozent der Stimmen im ersten Wahlgang auf Rang fünf von sechs Präsidentschaftsbewerbern kam.

Und vor drei Jahren meinte der damalige österreichische Bundeskanzler Werner Faymann, dass das alles Hirngespinste seien:

Auf die Frage, ob eine Doppelstaatsbürgerschaft realistisch sei, meinte der Kanzler: „Die Gepflogenheit und die politische Realität schauen anders aus“.

Die beiden sinnbefreitesten Argumente in einer an sinnbefreiten Argumenten nicht armen Diskussion liefern zum Schluss zwei Universitätsprofessoren.

Francesco Palermo meinte im Salto-Interview:

E non è finita, perché bisogna valutare cosa comporta la cittadinanza. Uno status tout court, con il diritto di voto, oppure no, quindi discriminando chi non può? E ancora: esentando dall’obbligo di pagare le tasse in Austria, quindi dando un trattamento di maggior favore? Ecco, prima di fare affermazioni di tipo politico vanno elencati tutti i punti della questione.

Ein Politiker, der gerne den Wissenschaftler gibt, behauptet allen Ernstes, dass die Steuerfrage diesbezüglich von Relevanz wäre! Die Steuerpflicht ist vom Lebensmittelpunkt und nicht von der Staatsbürgerschaft abhängig. Unglaublich, dass Professor Palermo offenbar annimmt, dass chinesische Staatsbürger, die regulär und dauerhaft in Südtirol leben und beschäftigt sind, ihre Steuern an China abliefern.

Der in Sterzing geborene und in Graz lehrende Soziologe Max Haller wartet als Sahnehäubchen der Propaganda in seinem oberflächlichen und mit vielen faktischen Unschärfen gespickten Beitrag "Ein gefährlicher Spaltpilz" mit folgendem Statment auf:

Jene Südtiroler Politiker – aber genauso jene in Österreich - die die Forderung nach einer Doppelstaatsbürgerschaft unterstützen, scheinen sich ihre Implikationen bei weitem nicht klar gemacht zu haben. [...] Beim Wehrdienst (sofern sich jemand dafür melden würde) könnten es sich die Wehrpflichtigen aussuchen, in welchem Land sie diesen ableisten wollen. Im Extremfall könnte dies im Falle eines Krieges dazu führen, dass Südtiroler gegen Südtiroler kämpfen müssten.

Krieg? Zwischen Österreich und Italien? Da hat sich jemand die Implikationen wohl ganz klar gemacht. Und überdies: wenn Südtiroler "nur" gegen Nordtiroler, Salzburger oder Schweizer in den Krieg ziehen müssten, wäre alles paletti? Oder wie soll man diese Aussage verstehen? Wo ist der Unterschied, ob Südtiroler gegen Südtiroler oder Südtiroler gegen Nordtiroler/Salzburger/Schweizer Krieg führen würden? Wäre eines von beiden weniger schlimm?

In dem Artikel spricht sich Haller - und dabei stimme ich mit ihm überein - für eine großzügigere Einbürgerung von Zuwanderern aus. Wenn also jemand aus Afghanistan nach Österreich kommt und österreichischer Staatsbürger wird, kann es dann nicht auch sein, dass er im Zuge einer UN-Mission in Afghanistan in Kampfhandlungen verwickelt wird (eine Spur wahrscheinlicher als Krieg zwischen Italien und Österreich) und somit gegen Afghanen kämpfen müsste? Sollte er deshalb keine Staatsbürgerschaft erhalten, um ihm dieses Schicksal zu ersparen?

Ein Ende der Schlacht mit "Argumenten" dieser Art ist leider nicht abzusehen. Ich halte es jedoch für sehr wichtig, dass man nicht unlauter sowie mit Angst - und Panikmache argumentiert, wenn man sich gegen eine Initiative stellt. Tut man es doch, begibt man sich auf das Niveau derer, die man kritisiert und delegitimiert so womöglich das für mich durchaus nachvollziehbare Anliegen, die Doppelstaatsbürgerschaftsregelung verhindern zu wollen.

Im Prinzip fallen mir nur zwei Pro- und zwei Contra-Argumente ein.

Pro

  • Ein opportunistisches, weil ich mir die (wenigen) Vorteile sichern möchte
  • Ein sentimentales, das sich aus Identitätsgefühlen speist, die nationalistisch sein können oder auch nicht.

Contra

  • Das Ansinnen folgt – soweit man das bislang beurteilen kann, da ja noch keine Kriterien für eine etwaige Vergabe bekannt sind – einer nationalistischen Logik, die kontraproduktiv ist.
  • Doppelstaatsbürgerschaften sind grundsätzlich kein Zukunftsmodell, da die legale und dauerhafte Ansässigkeit ein wesentliches Kriterium für die Staatsbürgerschaft sein sollte und man generell lieber eine Unionsbürgerschaft anstreben sollte, die „nationale“ Staatsbürgerschaften obsolet macht.

Alles andere ist Humbug.

* Obwohl ich wahrscheinlich im Falle einer positiven Entscheidung für die Doppelstaatsbürgerschaft - wäre ich in der Situation eines "berechtigten Südtirolers" - die zweite Staatsbürgerschaft annehmen würde.

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Martin Daniel Fr., 08.12.2017 - 14:00

Harald, stimme immer mehr in fast allem mit dir überein. Lediglich einen marginalen Punkt kann ich nicht teilen: "Wobei das eigentlich paradox ist, denn das Konzept der Doppelstaatsbürgerschaft an sich ist das antinationalistischste überhaupt." Das ist nur in der Theorie paradox: Wenn du zwangsweise eine St.bürgerschaft zugewiesen kriegst u. daher zusätzlich jene deiner Vorfahren/Ethnie/Sprache willst, kann das durchaus nationalistisch motiviert sein. Ohne es zu wissen, könnte ich mir das für Iren in Ulster vorstellen oder bei Palästinensern mit isrealischem Pass (wobei hier der anerkannte Staat noch fehlt). Jedenfalls braucht es intellektuelle Detektive wie dich, die tendentiöse, wenngleich oft gut gemeinte Argumentationen (oft ex catedra) entlarven.

Fr., 08.12.2017 - 14:00 Permalink
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Benno Kusstatscher Fr., 08.12.2017 - 22:46

"Ich habe mir fest vorgenommen, mich aus dem Thema österreichische Staatsbürgerschaft für Südtiroler weitestgehend rauszuhalten". Guter Vorsatz. Habe den gleichen. Kann nachvollziehen, dass es dir nicht gelungen ist. Kann aber auch nachvollziehen, dass den Vorrednern die Galle überläuft, wenn sich unsere Landtagsabgeordnetinnen derart bei FPÖ und Kurz anbiedern, just in dem Moment, in dem die Kreisky-Partei kurz mundtot ist.

Fr., 08.12.2017 - 22:46 Permalink
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Christian Mair Mo., 11.12.2017 - 21:37

Die Herzensangelegenheit Doppelstaatsbürgerschaft (O-Ton A. Kompatscher) ist vielleicht der Anfang der Trumpisierung der Südtirol- Innenpolitik. Und wie von Harald Knoflach korrekt als Nichtthema eingeordnet ist daraus plötzlich eine aktive Kampagne der Regierung gegen Selbstbestimmungstendenzen von Rechts geworden (und BBD?,aber alles dazu ist ja unter eh schon wissen FAQ 2000 diskutiert und für Wahrheit befunden), sozusagen als appeasement an die Identitären. Nicht mal von Hardcore Selbstbestimmungsbefürwortern wird dieses Ablenkungsmanöver erkannt oder entlarvt, das finde ich bedenklich.

Und durch die Anbiederung an die Schwesterpartei und die identitäre Rechte wird die eigentliche Chance der Südtirolautonomie verspielt. Der französische Präsident Macron und der deutsche Sozialdemokrat Schulz träumen von der europäischen Republik oder zumindest den vereinigten Staaten von Europa. Das Modell Autonomie wird nicht als föderalistische Landesverfassung mit einer konsequenten Bekenntnis zur europäischen Republik weitergedacht, weil kleinbürgerliche, bürgerliche und grüne Parteien Angst haben, Privilegien und Macht zu verlieren. Und so wird eine historische Chance verspielt.
Etwas Nachhilfe könnte man sich bei Ulrike Guerot holen, siehe:
https://www.youtube.com/watch?v=vIrdZjBBM5g

Selbst Thomas Benedikter hat hierzulande bessere Vorschläge,die der Nebel "Doppelstaatsbürgerschaft" leider aus der öffentlichen Debatte verschwinden lässt:
https://www.salto.bz/de/article/18092015/regionsbuergerschaft-statt-dop…

Schade Harald!

Mo., 11.12.2017 - 21:37 Permalink
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gorgias Di., 12.12.2017 - 03:33

Antwort auf von Christian Mair

Ich hätte ein paar Anmerkungen/Fragen:

Die FPÖ ist natürlich rechts und wird immer stärker von Burschenschaftlern beeinflusst. Identitäre haben in der FPÖ so weit ich weiss aber noch keinen Fuss gefasst.

Warum und welche Chance wird hier verspielt? Das Projekt Europäische Republik wird durch eine doppelte Staatsbürgerschaft doch nicht verspielt. Es ist natürlich Schade dass nicht mahr Energie dafür verwendet wird.

Di., 12.12.2017 - 03:33 Permalink
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Christian Mair Di., 12.12.2017 - 14:40

Antwort auf von gorgias

Meiner Meinung nach ist es so, dass das Thema Doppelstaatsbürgerschaft, aber auch Selbstbestimmung die öffentliche Debatte über die europäische Republik behindert. Genau darin liegt auch das Problem von Katalonien, Schottland, etc..
Themen wie Schottland, Katalonien oder Soppelstaatsbürgerschaft stellen zwar keinen Gegensatz zur europäischen Republik dar. Aber anstatt einen europäischen Ansatz mit Föderalisierung, gemeinsamer Finanzpolitik, Aussenpolitik, sozialen Rechten, Eurobonds und/oder Regionenausgleich, Migration, Verteidigung zu entwickeln versuchen reiche Regionen die Felle ins Trockene zu bringen.
Laut Ulrike Guerot ist die schweigende Mehrheit für die Republik, in der Identität und Nation durch gemeinsames zukünftiges Interesse entsteht. Das wäre dann Solidarität.
Als indirekten Beweis dafür könnte man anführen, dass selbst die FPÖ Anti- EU- Positionen aufgegeben hat.

Eine mutige und selbstbewusste Position Südtirols wäre eine föderalistische Landesverfassung mit Bekenntnis zur europäischen Republik. Doppelstaatsbürgerschaft birgt die Gefahr in sich CO2 einzusparen, aber Atomenergie zu nutzen, konventionelle Landwirtschaft zu betreiben, die als BIO verkauft wird, holländische Fackerl als Südtiroler Speck zu verkaufen.

Di., 12.12.2017 - 14:40 Permalink
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Christian Mair Mo., 11.12.2017 - 21:42

Paradox Wehrpflicht Doppelstaatsbürger:
Jene Südtiroler, die irgendeinen Fuß ins Vaterland setzen werden, sei es aus beruflichen oder aus Studiengründen, werden, um die Wehrpflicht zu vermeiden, keine Doppelstaatsbürgerschaft annehmen. Soll das wirklich die Visitenkarte der Südtiroler sein?

Mo., 11.12.2017 - 21:42 Permalink
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Christian Mair Mi., 20.12.2017 - 09:18

Antwort auf von Hartmuth Staffler

Unsinn? Sind Sie sich da sicher? "“Wir können nicht alle Fragen heute auf einer Pressekonferenz klären”, wimmelt Neubauer die Journalisten ab. Man wolle den Gesprächen, die mit Jahresbeginn 2018 aufgenommen werden sollen, nicht vorgreifen. Auch zu den Rechten und Pflichten, die Südtiroler als (auch) österreichische Staatsbürger haben würden, erfährt man nichts genaueres. So sei etwa die Wehrdienstpflicht “noch abzuklären”. Doch für einige im Raum steht bereits fes: mit der Staatsbürgerschaft geht auch eine Bringschuld einher." https://www.salto.bz/de/article/18122017/doppelpass

Mi., 20.12.2017 - 09:18 Permalink
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Waltraud Astner Di., 12.12.2017 - 18:29

Dass sich die Debatte zuspitzt sehe ich überhaupt nicht. Diejenigen, die betroffen wären melden sich eher selten zu Wort. Viel mehr hört man von den Nicht-Betroffenen, woraus man, liest man die z.T. abstrusen Argumente, den Schluss ziehen könnte, es wäre vor allem eine Neiddebatte, so nach dem Südtiroler Motto: Was ich nicht haben kann, soll auch dir verwehrt bleiben. Denn sich derart in ein Thema hineinsteigern, obwohl es andere betrifft, ist seltsam. Aber sollten bei den Gegnern der österreichischen Staatsbürgerschaft auch Berechtigte sein , dann gehe ich jede Wette ein, dass diese die Ersten sein werden, die sie beantragen werden, falls jemals die Möglichkeit bestünde, da sie (zum Glück) ein individuelles Recht darstellt, was an der ganzen Sache der springende Punkt ist. Denn alle anderen politischen Zukunftsvisionen (europ. Staatsbürgerschaft) sind zur Zeit so weit entfernt, dass man diese beiden Dinge nicht gegeneinander ausspielen oder auch nur vergleichen sollte. Denn dass die derzeitigen Nationalstaaten sich in absehbarer Zeit in ein Europa der Regionen o.ä. umwandeln werden, ist eher unrealistisch. Inzwischen wäre mir die europ. Staatsbürgerschaft schon recht.

Di., 12.12.2017 - 18:29 Permalink
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Profil für Benutzer Waltraud Astner
Waltraud Astner Mi., 13.12.2017 - 13:14

@Lockes Log
Die österreichische Staatsbürgerschaft würde mir genau das bieten was sie den anderen Doppelstaatsbürgern europaweit auch bietet. Nicht mehr und nicht weniger. Aber laut Gerd Staffler bieten sich da noch andere ungeahnte Möglichkeiten auf die ich gar nicht gekommen wäre. Wirklich echt geil!

https://www.salto.bz/de/article/12122017/der-doppelpass-echt-geil

Das Neid-Argument ist kein Unsinn, da lerne erst mal die Leute kennen. Habe ich in anderem Zusammenhang x-mal erlebt. Und ich wiederhole mich: Diejenigen die am meisten gegen etwas wettern, sind die ersten die, in diesem Fall um die österreichische Staatsbürgerschaft, ansuchen werden. Auch hier sprechen Erfahrungswerte dafür. Nur werden die es (vorerst zumindest) lieber nicht bekanntgeben, das es ja ein individuelles Recht ist, was eben die ganze Aufregung obsolet macht. Nach einer gewissen Zeit werden aber auch hier die Hüllen fallen. Wie gesagt, die Leute musst du mal kennen lernen.
Wenn du dich lieber für etwas aus deiner Sicht zukunftsfähiges einsetzt, ist das natürlich deine Sache. Ich setze mich AUCH für etwas eher realistisches ein , denn das eine schließt das andere nicht aus. Das eine erreicht man vielleicht früher, das andere später.

Mi., 13.12.2017 - 13:14 Permalink